18 Gänsehaut Stories
beiden Verstorbenen zu seinen Patienten gehört hatten. Anläßlich Sawyers Beerdigung hatte er sich sogar darüber gewundert, wie es möglich gewesen war, daß der rachsüchtige Farmer in einem Sarg Platz hatte, der dem des wesentlich kleineren Fenner auffällig glich.
Erst zwei Stunden später stand Dr. Davis von dem Bett des Verwundeten auf, nachdem er Birch eingeschärft hatte, überall und immer zu behaupten, die Wunden rührten ausschließlich von Nägeln und Holzsplittern her. Birch sollte überhaupt jedes Gespräch über diesen unglücklichen Vorfall tunlichst vermeiden und vor allem keinen anderen Doktor seine Verwundungen behandeln lassen. Der Totengräber befolgte diesen Rat für den Rest seines Lebens, bis er sich mir anvertraute, und als ich die Narben zu Gesicht bekam, stimmte ich mit ihm überein, daß er das Richtige getan habe. Er blieb für immer gelähmt, denn die Sehnen waren durchtrennt, aber ich glaube, daß die eigentlichen Wunden in seiner Seele zurückblieben. Sein Verstand war nun auf unerklärliche Weise verwirrt, und seine Reaktion auf Wörter wie Freitag, Gruft, Sarg und andere, die noch unverfänglicher klangen, war geradezu mitleiderregend. Er gab seinen Beruf auf, aber irgend etwas schien ihn zeit seines Lebens zu bedrücken. Es mag nur eine ungewisse Furcht gewesen sein, aber ich habe Grund zu der Annahme, daß sich darunter auch ein verspätetes Bedauern mischte, mit dem er an vergangene Taten zurückdachte.
Nachdem Dr. Davis ihn in jener Nacht verlassen hatte, bat er den Friedhofswärter um eine Laterne und machte sich auf den Weg zu der Gruft. Der Mond warf ein geisterhaftes Licht auf die Ziegeltrümmer und das gähnende Loch oberhalb der eisernen Tür. Das rostige Schloß ließ sich von außen ohne großen Kraftaufwand betätigen, aber Dr. Davis war vorsichtig genug, das Tor durch einen Steinbrocken zu sichern, bevor er sich in die Gruft wagte. Er dachte an die zahllosen Obduktionen zurück, die er mitgemacht hatte, ließ sich von dem entsetzlichen Gestank nicht weiter beeindrucken und richtete den Strahl der Laterne auf die Särge, die wirr durcheinanderlagen. Zuerst stieß er einen lauten Schrei aus, dann gab er einen halb erstickten Laut von sich, der noch schreckerfüllter klang. Einen Augenblick später flüchtete er wie von Furien gehetzt in das Haus des Friedhofswärters zurück und verstieß gegen alle Regeln der ärztlichen Kunst, indem er seinen Patienten aufweckte, ihn bei den Schultern rüttelte und ihm aufgeregt etwas ins Ohr flüsterte. Seine Worte müssen auf Birchs verwirrten Verstand wie die Trompeten des Jüngsten Gerichts gewirkt haben …
»Es war Asaphs Sarg, Birch, wie ich es mir gedacht habe! Ich habe sein Gebiß wiedererkannt, in dem die oberen Vorderzähne fehlten – um Gottes willen, zeigen Sie niemals jemand Ihre Wunden! Die Leiche ist schon ziemlich verwest, aber dieser rachsüchtige Ausdruck auf dem Gesicht – oder dem, was früher einmal ein Gesicht war! … Sie wissen doch, wie er sich für alles rächte – wie er den alten Raymond dreißig Jahre nach ihrem Grenzstreit ruinierte, wie er einmal einen Hund erschoß, der als Welpe nach ihm geschnappt hatte … Er war der leibhaftige Teufel, Birch, und ich glaube wirklich, daß seine Rachgier den Tod überwunden hat! Gott, dieser haßerfüllte Gesichtsausdruck!
Warum haben Sie das getan, Birch? Sawyer war ein Schuft, und ich kann verstehen, daß Sie ihm den schlechten Sarg gegeben haben, aber mußten Sie denn gleich so weit gehen? Niemand hätte es Ihnen übelgenommen, wenn Sie das Ding für jemand anderen genommen hätten, aber Sie wußten doch, wie klein der alte Fenner war.
Diesen Anblick werde ich nie wieder
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