18 Gänsehaut Stories
Hoffnung hingegeben, als er den am besten gebauten Sarg an diese Stelle gedrückt hatte, denn der Deckel gab unter seinem Gewicht nach, so daß Birch einen halben Meter weit in etwas hinabglitt, das nicht einmal er sich vorstellen mochte. Sein Gaul, der schon durch das Krachen erschreckt worden war, wurde durch den ins Freie dringenden unerträglichen Gestank vollends scheu gemacht und raste wie besessen mit dem Wagen davon.
Birch befand sich nun in einer Lage, in der ein leichtes Entkommen durch die erweiterte Öffnung unmöglich war, aber er sammelte seine Kräfte zu einem entschlossenen Versuch. Er umklammerte den unteren Rand des Durchbruchs und wollte sich daran hochziehen, als er feststellen mußte, daß ihn etwas an den Knöcheln zurückzuhalten schien. Jetzt empfand er zum erstenmal in dieser Nacht Angst, denn selbst seine verzweifelten Bemühungen konnten ihn nicht davon befreien, seine Füße blieben umklammert. Gleichzeitig spürte er fast unerträgliche Schmerzen, die ihn noch mehr in Angst und Schrecken versetzten, aber trotzdem behielt er noch klaren Kopf genug, um sich zu vergegenwärtigen, daß die Wunden von Nägeln und Holzsplittern herrühren mußten. Vielleicht schrie er sogar, stieß und schlug aber jedenfalls wild um sich, obwohl er bereits einer Ohnmacht nahe war.
Sein Instinkt muß ihm damals zu Hilfe gekommen sein, denn er brachte es schließlich doch fertig, sich durch die Öffnung zu zwängen und auf dem Boden weiterzukriechen, nachdem er jenseits des eisernen Tors hinabgeglitten war. Es muß schauerlich anzusehen gewesen sein, wie Birch mühsam auf das Häuschen des Friedhofswärters zukroch, während der schwache Mondschein die blutige Spur beleuchtete, die er auf dem kiesbestreuten Weg hinterließ. Seine Hände griffen nach den Grabsteinen, an denen er sich vorwärtszog, während sein Körper nur unwillig gehorchte, wie es immer der Fall zu sein scheint, wenn man sich von einem Wesen aus einem fürchterlichen Alptraum verfolgt fühlt. Offensichtlich gab es diesen Verfolger jedoch nicht, denn Birch war allein und lebendig, als Armington, der Friedhofswärter, ihm auf sein schwaches Klopfen die Haustür öffnete.
Armington trug Birch in ein leerstehendes Bett, dann schickte er seinen Sohn Edwin zu Dr. Davis. Der Verwundete war bei vollem Bewußtsein, aber nicht zu irgendwelchen Auskünften bereit, sondern murmelte nur immer wieder vor sich hin: »Oh, meine Füße! Laß mich los! In der Gruft … eingeschlossen …« Dann kam der Arzt mit seiner schwarzen Tasche, stellte einige Fragen, zog Birch die Stiefel aus und schnitt vorsichtig die blutdurchtränkten Hosen und Socken auf. Die Wunden – beide Knöchel waren an der Achillessehne beträchtlich verletzt – schienen den alten Arzt zunächst in Erstaunen und schließlich sogar in Schrecken zu versetzen. Er stellte immer eindringlichere Fragen, und seine Hände zitterten merklich, als er die Verbände anlegte. Dabei arbeitete er rasch.
Es entsprach keinesfalls dem Wesen des Arztes, der als zurückhaltend bekannt war, daß er den erschöpften Birch mit Fragen über den genauen Hergang des Unglücks bestürmte. Er zeigte sich merkwürdig daran interessiert, ob Birch sicher war – völlig sicher –, welchen Sarg er zuoberst auf den Stapel gestellt hatte, wie er ihn ausgesucht hatte, wie er ihn in der herrschenden Dunkelheit als Fenners Sarg erkannt hatte und wie er ihn von dem schlechteren unterschieden hatte, in dem der rachsüchtige Asaph Sawyer lag. War es tatsächlich möglich, daß der stabil gebaute Sarg Fenners so leicht hatte nachgeben können? Dr. Davis hatte beide Särge bei den jeweiligen Bestattungen gesehen, denen er beigewohnt hatte, da die
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