18 Geisterstories
Nervenfieber lag. Was habe ich in meinen Delirien gesprochen? Ich meine, woraus setzten sich meine Fantasien zusammen?«
»Bruchstücke aus Hamlet zumeist. Von Ophelia kam viel vor und auch von Laertes. Du nanntest sie mit ihren bürgerlichen Namen und warfst die Beziehungen durcheinander. Ein wenig Wirklichkeit war auch dabei, denn ich denke, das Gerücht von deinem Verhältnis mit der Witte hatte doch recht.«
»Unsinn!«
»Also nicht? Ich dachte, weil sie doch gleich nachher mit Pönale aus dem Engagement ging. Man sprach davon, und einige wollten wissen, daß es zwischen euch wegen des Laertes-Tiefenbach einen großen Krach gab.«
»Unsinn! Unsinn!«
»Es scheint dich aber doch beunruhigt zu haben. Du sprachst … freilich waren das Fieberideen.«
»Nichts als Fieberideen. Mein Gehirn nahm auf, was es davon fand und mengte alles durcheinander. Ich danke dir … aber du sprichst nicht davon, überhaupt ist es am besten, wenn wir nicht mehr davon sprechen. Komm, Geist meines Vaters, wir wollen gehen und Dämon Alkohol beschwören.«
Sie rüsteten sich, gingen an der feierlich bemalten Wirtin vorbei, großartig wie Könige und verschlossen wie Verschwörer und zitierten im Hinterzimmer der ›Blauen Affengattin‹ den Dämon Alkohol.
Die Proben zu ›Hamlet‹ wurden diesmal sehr gründlich genommen. Prinz, der mit zusammengebissenen Lippen, bleich und entschlossen auf der Bühne stand, wehrte sich gegen jeden Schlendrian und alles zitterte davor, einen zweiten solchen Ausbruch zu erleben, wie bei der ersten Probe. Er hatte einen nachlässigen Statisten gepackt und mit zwei Ohrfeigen in die Kulissen geworfen, daß er winselnd zu den Füßen des Polonius niederstürzte. Der Statist hatte nun den rauhen Hamlet geklagt, aber die anderen hüteten sich doch, durch die Unarten der Proben seinen Zorn aufzurufen. Fast unheimlich, regungslos wie der steinerne Gast stand Prinz unter den in ihrer Stimmung sehr gedrückten Kollegen, und die leichten Witze schli chen gebunden in den dunkeln Winkeln umher. Vor sei nem unerbittlichen Gesicht zerbrachen die immer bereiten Scherze in armselige Worte voller Bescheidenheit und Angst, als ob hier etwas vor ihnen stünde, dessen Bedeutsamkeit weit über allem Schein der Bühne wäre.
»Wie einer, der seine eigenen Totenspiele inszeniert«, flüsterte König Claudius dem Gustav Rietschi zu, der den Geist von Hamlets Vater zu mimen hatte. Der junge Darsteller des Laertes, der erst zwei Jahre im Engagement war, wagte die gefährliche Frage nach dem Unfall seines Vorgängers. An Rietschis Schweigsamkeit prallte seine Neugierde ab und er mußte sich mit dem begnügen, was ihm König Claudius nachmittags beim Tarockspiel an unzusammenhängenden Gerüchtfragmenten, barocken Bruchstücken, gewagten Vermutungen und boshaften Anspielungen mitteilen konnte. Was er da hörte, regte ihn auf, und er empfand prickelnd die lüsterne Sensation, an eine Stelle zu treten, die vom Tod verflucht und geweiht war. Prinz kleidete sich für seine Fantasie in den Panzer des Sonderbaren und Geheimnisvollen, und aus dem einen geflüsterten Wort stiegen ihm die köstlichen Wonnen furchtsamen Abscheues auf. Zwischen zwei Runden hatte sich König Claudius weit vorgeneigt, damit es Güldenstern, der Kiebitz, nicht hören könne: »Man spricht, aber du wirst davon den Mund halten, daß das damals nicht Zufall war, sondern … na, also Absicht, weil der Tiefenbach mit der damaligen Ophelia …« Ein kräftig angesagter Pagatultimo brachte König Claudius auf andere Gleise, und der junge Laertes mußte sich selbst in den Zauberwald der Möglichkeiten auf die Su che begeben. Sein Eifer
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