18 Geisterstories
Schwester nicht zugegen sein dürfe. Ich ging hinüber und sagte, so wie ich eintrat: Liebe Freundin, Sie wollen gewiß so gut sein, mir jene Dokumente wieder auszuliefern, die Sie, um mich zu necken, aus meinem Pulte genommen haben. Sie sah mich bedeutend mit den sterbenden Augen an, die jetzt viel größer und verklärter als vormals leuchteten. In ihrem Blick war etwas so Seltsames, Leuchtendes, Grünfunkelndes, daß man nichts Entsetzliches, Unbegreifliches zu sehen braucht, wenn man dergleichen erblickt hat. Haben Sie, Schwager, sagte sie nach einer Pause, immer noch diese Narrenpossen im Kopfe? Doch freilich, lebt jeder so hin, wie er leben kann. Setzt Euch, Freund; fügte sie dann mit einer verächtlichen Miene hinzu, und ich ließ mich an ihrem Bett nieder.
Ihr glaubt, fing sie dann mit einem widerwärtig scharfen Tone an, ihr werdet mich jetzt los. O täuscht euch ja nicht, und schmeichelt euch nicht allzufrüh. Sterben, Leben, Nichtsein, Fortdauer. Welche unnützen und nichtssagenden Worte! Ich war fast noch ein Kind, als ich lachen mußte, wenn die Menschen sich so um ihre Fortdauer nach dem Tode ängstigten. Da schleppen sie Beweise auf Beweise zusammen und zimmern sie turmhoch hinauf, Wahrscheinlichkeiten und Wünsche, Bitten und Gebete, des Ewigen Barmherzigkeit und wie so manche gute liebe Anlagen in ihnen hier diesseits, wie sie es nennen, unmöglich ausgebildet, geschweige zur Reife gebracht werden könnten, – und alle die Anstalten nur, um ihre niederträchtige Feigheit, ihre Furcht vor dem Tode etwas zu beschwichtigen. Die Armseligen! Wenn ich mich sammle, mir nach allen Richtungen hin meiner vielfältigen Kräfte bewußt werde, und der Ewigkeit, dem Schöpfer und den Millionen Geistern der Vorzeit und Zukunft entgegenrufe: Ich will unsterblich sein! ich will! was braucht’s da weiter, und welche Allmacht kann einschreiten, um meinen ewigen allmächtigen Willen zu vernichten? Was braucht der Mensch, der irgend Besinnung hat, noch für eine andere Gewähr, daß er unsterblich und ewig sei? Wie, auf welche Art, – das ist eine andere Frage. Welch Possenspiel und welche Fratze, welcher bunte Haarbeutel, welch höckerartiges Labyrinth von Eingeweiden und Liebesorganen uns wieder eingesetzt wird, welche Etikette und Hofsitte von Häßlichkeit und Schönheit eingeführt mag werden, das steht dahin, da, ins Unendliche, Dumm-Weise, Geregelte, Abgeschmackte und ewig Tolle hinein wie alles. – Aber, ihr guten Freunde, wie meine eigene Kraft, ohne weiteres, mich unsterblich erhält, so kann dieselbe Stärke und derselbe Willenstrotz mich zu euch zurückführen, wann und wie oft ich will. Glaubt es mir nur, ihr Narren, die Gespenster, wie ihr sie nennt, sind nicht gerade die schlimmsten oder schwächsten Geister. Mancher möchte gern wiederkommen, aber er hat dort ebenso wenig Charakter als hier. Und du Ausbündiger, Schelmischer, Eitler, Liebenswürdiger, Talentreicher, du Tugendknospe, du Schönheits-Mäkler, – daß ich dich so innigst, innigst habe lieben müssen, müssen, trotz dem innersten Kern meiner Seele, der mir sagte, daß du es nicht verdientest, – dir glatthäutigem, gerade gewachsenem Menschentier werde ich immer, das kannst du mir glauben, ganz nahe sein. Denn diese Liebe, Eifersucht, diese Wut nach dir und deinem Atmen und deinem Gespräch wird mich nach der Erde hinreißen und das wird, wie sich ein Frommer ausdrücken würde, mein Fegefeuer sein. Also, ohne Abschied, auf Wiedersehn!
Sie reichte mir die kalte Totenhand. Als sie verschieden war, ging ich zu Elisabeth, hütete mich aber wohl, ihr von den tollen Fantasien der Verstorbenen etwas mitzuteilen, da ihre Nerven ohnedies schon auf
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