1808 - Die Vorhölle
wird.«
Paul und Peter schauten sich an. Sie hatten in ihren Leben viel erlebt, doch so etwas nicht.
»Nein«, keuchte Peter, »das kannst du mit uns nicht machen. Wir haben immer auf deiner Seite gestanden, immer. Wir haben dir das Blut gebracht. Wo bleibt die Dankbarkeit? Wo, verflucht?«
»Euer Denken ist falsch. Ihr werdet immer bei mir sein. Ihr werdet so werden wie ich.«
»Aber das wollen wir nicht!«
Peter hatte ihr den Satz ins Gesicht geschrien, was Larissa egal war. Bevor sich einer der Zwillinge überhaupt versah, schlug sie zu. Sie traf Peter, der mit seinem Hinterkopf gegen den Stamm prallte, leise aufschrie und das Gesicht verzog.
Larissa ließ ihn nicht zur Besinnung kommen. Sie ging jetzt vor wie eine Maschine. Sie drückte ihn gegen den Stamm und bog seinen Kopf zur Seite.
Peter konnte sich nicht wehren. Larissa war einfach zu stark. Sie setzte zum Biss an. Eine schnelle Bewegung sorgte dafür, dass die beiden spitzen Zähne trafen. Sie rissen die dünne Haut auf, sie trafen die dicke Ader und bissen hinein.
Jetzt hatte das Blut freie Bahn. Es strömte hinein in ihren weit geöffneten Mund. Es klatschte gegen die Innenseiten des Rachens, verteilte sich dort und wurde geschluckt.
Ja, es machte ihr Freunde.
Sie saugte, sie schmatzte auch und hielt ihr Opfer zugleich so fest, dass es nicht in die Knie sackte und Paul mitriss.
Der war entsetzt. Er wusste sehr genau, dass auch ihm so etwas zustoßen würde. Diese Larissa würde sich nicht mit einem Menschen zufrieden geben. Auch er steckte voller Blut. In seinen Adern rauschte es. Er wollte nicht, dass man ihm das Blut aussaugte, aber dafür musste er etwas ändern und durfte nicht länger tatenlos bleiben.
Mit einer Hand konnte er angreifen, und er dachte auch nicht mehr länger nach. Der Arm schnellte vor, die Finger gruben sich in die schwarzen Haare und hielten sie fest. Dann riss er den Kopf vom Hals seines Bruders weg.
Jeder Mensch hätte schrecklich geschrien, wenn so in seinen Haaren gezogen wird.
Eine Vampirin schrie nicht. Sie spürte nicht die Schmerzen, wie sie ein Mensch zu spüren bekam. Sie spürte eigentlich gar nichts, denn sie war nur wütend.
Aus ihrem Mund drang ein Fluch, als sie nach hinten gerissen wurde. Sie ließ ihr Opfer los, torkelte zurück und schaffte es trotzdem, auf den Beinen zu bleiben.
Beide Brüder standen auch. Einer kümmerte sich um den anderen. Sie mussten weg von hier. Paul redete immer davon, aber er hätte seinen Bruder schon mitziehen müssen, denn freiwillig setzte der keinen Schritt nach vorn.
»Komm doch mit«, jammerte Paul. Allein konnte er die Flucht nicht starten.
Peter reagierte nicht mehr. Er befand sich bereits in einem anderen Zustand. Er hatte zu viel Blut verloren. Zwar stand er noch auf der Stelle, aber er wurde immer schwächer. Es würde nicht mehr lange dauern, dann brach er zusammen.
Paul sah es ein. Er schrie auf.
Dann musste er seinen Bruder festhalten, um nicht von ihm umgerissen zu werden.
Und dann kam sie. Larissa dachte gar nicht daran, aufzugeben. Sie griff wieder zu.
Paul wollte etwas sagen und sie auch angreifen, aber ihr Schlag in sein Gesicht war schneller. Sie hatte hart zugeschlagen, die Nase getroffen und aus ihr einen blutigen Klumpen gemacht.
Schmerzen tobten durch seinen Kopf. Blut quoll aus der deformierten Nase und rann über sein Kinn. Darum kümmerte sich die Vampirin nicht. Sie hatte andere Probleme. Sie brauchte das Blut und hing an Paters Kehle.
Peter konnte nichts dagegen tun. Er wurde sein Blut los. Und Paul musste alles mit ansehen. Er stand dicht bei ihm, ohne ihm allerdings helfen zu können. Er hatte genug mit sich selbst zu tun.
Larissa saugte und schmatzte. Das Blut eines Menschen zu trinken war für sie der höchste Genuss. Erst jetzt kam ihr in den Sinn, was sie alles erlebt hatte.
Sie machte weiter. Kein Tropfen sollte mehr durch die Adern des Mannes fließen. Erst dann war sie richtig zufrieden.
Und dann hatte sie es geschafft. Es floss kein Blut mehr durch die Adern, der andere war schlaff.
Sie hielt ihn fest. Hätte sie ihn losgelassen, dann wäre er zu Boden gefallen und hätte seinen Bruder mitgerissen. Das wollte sie nicht, aber sie wusste auch, dass es dauern würde, bis dieser Mensch wieder erwachte und sich als Vampir fühlen konnte. Die Zeit bis dahin mussten sie überbrücken.
Und noch etwas kam hinzu. Sie hatte das Blut getrunken und war richtig satt. Larissa brauchte keinen weiteren Tropfen mehr. Hätte ihr jemand
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