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1812 - Ein historischer Roman (German Edition)

1812 - Ein historischer Roman (German Edition)

Titel: 1812 - Ein historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ludwig Rellstab
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Glückliche, in dessen Hand sie geriet. Er drückte sie gegen die Lippen und warf einen flammenden Blick zu Lodoiska hinauf. Jaromir bemerkte es und faßte den Verdacht, das Band sei nicht ihm zugedacht gewesen, obgleich Lodoiska eben ein zweites herabflattern ließ, das sich, von gütigen Lüften getragen, von selbst auf Jaromirs Schulter senkte. Rasch auflodernd in Zorn wie in Liebe, hatte er so schnell vergeben wie gezürnt, nahm das Band, blickte mit liebendem Auge zu der Teuern hinauf und befestigte es dann, stolz auf die Zierde, an der Brust.
    Der Zug wandte sich in die schmalere Straße hinein, wo Alisette wohnte. Sie stand am Fenster und sah die Reiter vorüberziehen. Alle Offizier, die sie kannte, grüßte sie; sie selbst wurde aber, als die liebreizende Sängerin, fast von allen gekannt und begrüßt. Mit französischer Leichtigkeit und Lebhaftigkeit winkte sie bald heiter, bald wehmütig lächelnd und blickend, den einzelnen ihren Abschiedsgruß zu, und wo ihr jemand nahe unter das nicht hohe Fenster vorbeiritt, rief sie ihm auch ein süß lautendes Lebewohl zu. Besonders erhielt Bernhard einen ungemein freundlichen Gruß dieser Art, den er ebenso erwiderte, wiewohl nicht ohne ein leises Gefühl der Wehmut, daß er von diesem reizenden, verführerischen Wesen jetzt vielleicht für immer scheiden mußte. Sein alter Argwohn gegen sie wäre jetzt fast geschwunden, wenn er nicht, indem er noch einmal nach ihr hinübersah, bemerkt hätte, wie sich der Ausdruck ihrer Züge veränderte, als Jaromir, der um einen Zug hinter Bernhard ritt, sich dem Fenster näherte. Sie zog einen Strauß von Rosen und Vergißmeinnicht, den sie bisher verborgen gehalten hatte, hervor, warf ihn dem jugendlich schönen Reiter zu und sagte ihm mit Worten und Blicken das bewegteste Lebewohl. Jaromir, dem halb Beschämung, halb Freude die Wangen rötete, hielt an, sprach einige Augenblicke mit dem reizenden Mädchen und dankte ihr mit fast zärtlichen Worten.
    Hm, dachte Bernhard, und schüttelte das Haupt, zumal da er bemerkte, daß Lodoiska, um den Truppen noch weiter nachblicken zu können, in ein Fenster des Saales im Palast getreten war und den Vorfall mit ansah, ohne daß Jaromir sie bemerkte. Bald danach suchte er einen Augenblick zu erhaschen, wo er, da das Gedränge in den schmalen Gassen, in welchen man sich eben befand, die Ordnung des Zuges gestört hatte, an Jaromir heranritt und ihm halb scherzhaft drohend sagte: »Treuloser! Was hast du begangen? Also jener schönen verführerischen Phryne hast du den letzten Abschiedsgruß gesandt? Sie ist die letzte, an die du hierher zurückdenkst!« – »Nein, wahrlich nicht,« rief Jaromir; »nach wie vor gehört mein Herz nur Lodoiska allein. Doch Alisette war immer so freundlich zu mir!« –»Fast zu freundlich! Nimm dich in acht!« entgegnete Bernhard. – Jaromir lächelte: »Es hat keine Gefahr! Doch reite jetzt zu deinem Zuge, denn wir kommen gleich an die Brücke von Praga, über die wir mit Ordnung defilieren müssen.«
    Der Zug stockte jetzt, weil an den zusammenstoßenden Straßen mehrere Truppenabteilungen aufeinander trafen. Auch Oberst Regnard war an der Spitze seines ausmarschierenden Regiments zu sehen. Die Marschordnung wurde indes rasch bestimmt, Rasinski mit seiner leichten Kavallerie rückte voran, eine Abteilung Dragoner folgte ihm, dann schloß Regnard sich mit der Infanterie an, und zuletzt rückte die Artillerie nach.
    Es war ein großartiger Anblick, als der Zug jetzt die Brücke bedeckte und der prächtige Strom der Weichsel die glänzenden Gestalten spiegelnd zurückwarf, die sich in wechselnden Bildern über ihm dahinbewegten. Beide Ufer kränzten sich mit zahllosem Volk; weithin erschallte das stürmische Jubeln und Jauchzen; die wehenden Tücher leuchteten im Sonnenstrahl; das Klirren der Waffen, der Hufschlag der Rosse, das tobende Rasseln der Kanonen vollendeten das kriegerisch glänzende Bild. In der großartigen Bedeutung dieser Massen wuchs auch der einzelne stolzer, kühner empor; selbst den Schmerz, der ihm hier nur allein gehörte, versenkte er in die brausende Welle, die das Ganze hob und trug, und, nur von mutigem Kampfgefühl beseelt, schlug die Männerbrust freudig der Zukunft entgegen.

Viertes Buch.
Erstes Kapitel.
    Auf den Gütern des Grafen Dolgorow, welche unweit Smolensk am Dnjepr lagen, war alles in der größten Bewegung. Zwei Nachrichten, welche die Bewohner des Schlosses sowie der zur Herrschaft gehörenden Dörfer vor einigen

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