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1812 - Ein historischer Roman (German Edition)

1812 - Ein historischer Roman (German Edition)

Titel: 1812 - Ein historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ludwig Rellstab
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waren matt herabgesunken, der tiefblaue Himmel ihres Auges durch das geschlossene Augenlid bedeckt. Axinia lag noch immer betäubt am Boden. Einen Tiger hätte dieser Anblick des zerreißendsten Jammers, dieses rührende Bild der aufopfernden Duldung gerührt. An der kalten, durch das Verderben der Lieblosigkeit, welches in den höhern Ständen herrscht, von Jugend auf verhärteten und vergifteten Brust Dolgorows gleitete der Pfeil ab, als ob ein eherner Harnisch sie bedeckte. Es wird vorübergehen, dachte er kalt; denn der Schmerz Feodorownas erschien ihm nur wie die Torheit einer Schwärmerin und Axinias Jammer berührte ihn gar nicht, da sie zu einer Gattung Wesen gehörte, die er von Jugend auf nur als Dinge betrachtet hatte. Er war nur voller Freude, daß dieses zufällige Ereignis die Hindernisse aus dem Wege räumte, welche sich noch gestern seinen Plänen unbesiegbar entgegenzustellen schienen. Schnell eilte er daher zu Ochalskoi hinüber, um diesen von dem Vorgefallenen zu unterrichten, und überließ es der eintretenden Jeannette, für ihre Gebieterin zu sorgen. Diese schlug bald das Auge wieder auf und war nun der Dienerin behilflich, Axinien ins Leben zurückzurufen. Als auch sie endlich aus ihrer Betäubung erwachte, blickte sie irr umher und schien mit den Augen einen Gegenstand zu suchen, den sie nicht zu nennen vermochte. Anfangs traf der tröstende Zuspruch Feodorownas nur ein taubes Ohr, sie wußte nicht, was der leere Schall der Worte bedeutete, die sie vernahm. Endlich faßte sie es, als Feodorowna zu ihr sprach: »Beruhige dich, Axinia, der schreckliche Traum ist vorüber; du wirst glücklich sein!« Da sank die Gequälte, wie im Rausche des Entzückens, mit heißen Freudentränen an die Brust der Wohltäterin, die ihr beide Arme öffnete und sie liebend an das Herz drückte: »Du wirst glücklich sein, Axinia«, rief sie noch einmal mit unaussprechlichem Schmerz. Aber du weißt nicht, um welchen Preis! tönte es heimlich in ihrer Brust nach. Lange hielten sich beide umfaßt; die mächtigen, betäubenden Wellen der Schmerzen und der Wonne, auf denen ihr Herz gehoben wurde, hatten jeden Damm, der sonst das Bett ihres Lebens schied, überflutet, und wie gerettete Schiffbrüchige umarmten sie sich an dem Strande, wohin die Lebenswelle sie geworfen hatte, kaum wissend, ob in Jammer oder Seligkeit. Endlich verließen Feodorowna die Kräfte, und sie bat: »O, leitet mich auf mein Zimmer! Ich bin sehr erschöpft!« Gütiger Himmel, dachte sie, habe ich denn nicht auf der Folterbank gelegen, bis die Qual mir mein eigenes Todesurteil auspreßte? Aber sie schwieg, und kein Laut verriet das unermeßliche Opfer, welches sie der Menschlichkeit gebracht hatte. Langsam geleiteten Jeannette und Axinia sie auf ihr Gemach; hier fand sie Einsamkeit und Ruhe, um einen klarern Blick auf die Lösung der verworrenen Fäden ihres Geschicks zu werfen.

Viertes Kapitel.
    Die feierliche Verlobung sollte sogleich vollzogen werden; die Vermählung selbst forderte der unerläßlichen Zeremonien wegen einen längern Aufschub, und man mußte es einstweilen der Wendung der Zeitereignisse überlassen, wann dieses Fest am schicklichsten anzusetzen sei. Daß Feodorowna zurücktreten werde, befürchtete der Vater nicht, denn er wußte, daß sie bei der Strenge ihrer Grundsätze ein gegebenes Versprechen zu heilig halte, um es unter irgendeinem Vorwande zurückzunehmen.
    Dolgorow und Ochalskoi gingen, um sie zu benachrichtigen, zur Gräfin hinüber, die, gewohnt, spät aufzustehen, von dem Vorgefallenen noch nicht das mindeste erfahren hatte, aber begreiflicherweise sehr erfreut darüber war.
    Währenddessen hatte Feodorowna mit Axinien auf ihrem Gemach eine traurige Stunde hingebracht, in welcher sie erst den ganzen Zusammenhang der Begebenheiten erfuhr, die Axinias Hinzukommen zu ihrer Unterredung mit dem Vater verursacht hatten. Um Paul von dem, was Feodorowna für beide tun wollte, zu unterrichten, hatte sie von dem frühesten Morgen an eine Gelegenheit gesucht, ihn zu sprechen; indessen war es ihr mißlungen. Eben wollte sie zum dritten Male nach dem Schlosse gehen, als ihr der Verwalter, der ein erbitterter Feind Pauls war, im Schloßtore die Nachricht von seiner Bestrafung mit höhnischen Worten mitteilte.
    Kaum hatte sie die entsetzliche Nachricht vernommen, deren Zusammenhang mit ihrem eigenen Geschick sie sogleich dunkel ahnte, als sie auch im Hofe den an den Pfahl gebundenen Paul erblickte.
    Dies sehen, die Stufen der

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