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1812 - Ein historischer Roman (German Edition)

1812 - Ein historischer Roman (German Edition)

Titel: 1812 - Ein historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ludwig Rellstab
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Aufwallung und sprach mit sanftem Tone: »Meine Jugendgespielin, teuerster Vater, die unglückliche Axinia, vertraute mir unter Tränen der Angst und Verzweiflung gestern am späten Abend ihr Vergehen. War es nicht natürlich, daß sie ihr Herz einer schwesterlich empfindenden Brust öffnete? Nein, mein Vater, so werden Sie Ihre Tochter nicht verkennen, daß Sie einen kränkenden Verdacht auf sie werfen sollten!« Feodorowna blickte den Vater bei diesen Worten so schmerzlich mit ihren feucht glänzenden blauen Augen an, daß selbst seine zürnende Strenge sich einer mildern Regung nicht erwehren konnte. Ernst nahm er das Wort: »Ich hätte dem Unbesonnenen, der, ein Fremder, die Ehre einer Tochter Rußlands so gering schätzte, daß er sie mit Füßen trat, vielleicht vergeben, wenn er in Demut und zur rechten Zeit sein Verbrechen gestanden hätte. Warum ließ er mich gestern mein Wort geben? Habe ich es jemals meinem geringsten Vasallen gebrochen? Darf ich es jemals, ohne vor mir selbst zu erröten? Der Bursche aber, im feigen Bewußtsein seiner Schuld, wagte nicht den Mund zu öffnen, wagte nicht, was er doch konnte, mir schriftlich schon nach Petersburg sein Vergehen zu melden! Und heute in aller Frühe kommt er zu mir wie ein Rasender, begehrt ungestüm, was er in tiefster Demut erflehen sollte, und da ich es ihm streng verweigerte, stürzt er wütend auf mich ein und bedroht mein Leben mit jenem Messer dort!« Dolgorow deutete hier auf den Tisch, wo ein Gartenmesser lag. – »O, vergeben Sie dem Wahnsinn eines Verzweifelnden,« bat Feodorowna, »und krönen Sie das Werk Ihrer Gnade durch eine noch schönere Handlung menschlichen Mitgefühls!« – »Genug,« entgegnete der Graf streng, »das Geschehene habe seinen Lauf! In der Tat, eine liebevolle Tochter, die den Mörder ihres Vaters belohnt wissen will!«
    »O, allmächtiger Gott der Gnade!« rief Feodorowna aus und rang verzweiflungsvoll die Hände; »so soll denn das gräßlich Unmenschliche geschehen, und mein Flehen kann den Unglücklichen nicht retten! Vater! Vater! Es gibt einen Gott im Himmel; er wird euch richten, wir ihr gerichtet habt! Auf welche Gnade habt ihr zu hoffen, wenn euer Herz sich dem Mitleid ehern verschließt? O, Land des Entsetzens, wo die Willkür ohne Schranken gebietet! Vater, hören Sie die Bitte Ihrer Tochter, üben Sie das göttliche Recht der Gnade!« Feodorowna stand bleich und zitternd mit stehend emporgehobenen Armen vor dem Vater und war im Begriff, zu seinen Füßen niederzusinken, als der angstvolle Ruf einer weiblichen Stimme draußen erschallte, und gleich darauf Axinia mit fliegendem Haar hereinstürzte. »Laßt mich, laßt mich! Ich muß!« So rief sie wild, entrang sich den Dienern, welche sie zurückhalten wollten, und warf sich außer sich vor Dolgorow nieder, indem sie mit beiden Armen seine Knie umklammerte. »Gnade! Gnade!« wimmerte sie. Ihre Stimme erstickte in atemloser Angst; heftig preßte sie das Antlitz gegen die Füße des Gebieters, der sie, im Gefühle seines Unrechts, aber zu stolz, um der Stimme der Menschlichkeit Gehör zu geben, nur desto ergrimmter anblickte. »Laß mich, schamlose Dirne!« rief er. »Danke es meiner Gnade, daß ich deine Schande durch eine ehrenvolle Ehe verbergen will!« Axinia ließ die Arme ermattend los und richtete ihr bleiches, verzweifelndes Angesicht empor; jetzt erst gewahrte sie Feodorowna. »O, bittet, bittet für mich«, sprach sie matt und versuchte, sich auf den Knien zu ihr hinzuschleifen, sank aber kraftlos mit dem Antlitz gegen den Boden.
    Feodorowna kämpfte mit einem furchtbaren Entschluß; ihr Busen flog, sie zitterte heftig. Endlich schwankte sie mit bebenden Schritten auf den Vater zu: »Vater!« rief sie, »Gnade, Gnade! – Ich will, ich muß – o, auf dieser Folterbank wird mir das Ja erpreßt! – Nun wohl denn, es sei! Es gilt die Rettung zweier unschuldiger Opfer! Ich kann sie nicht bluten lassen – ich darf es nicht. Gnade für sie – und ich bin Ochalskois Gattin!« Mehr vermochte sie in dieser gewaltsamen Anstrengung ihrer Kräfte nicht; ein Marmorbild, sank sie bewußtlos in Dolgorows Arme. Dieser ließ sie auf einen Sessel niedergleiten und zog dann die Schelle: »Geht in den Hof hinunter und laßt den Gärtner Paul losbinden, seine Strafe ist vorläufig aufgeschoben«, rief er dem Diener zu. »Ruft auch das Kammermädchen der Gräfin, ihr ist unwohl geworden!«
    Feodorowna saß bleich, mit zurückgelehntem Haupt in dem Sessel; die weißen Arme

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