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1812 - Ein historischer Roman (German Edition)

1812 - Ein historischer Roman (German Edition)

Titel: 1812 - Ein historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ludwig Rellstab
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trauliche Gespräche knüpften sich an, man wurde heiter und heiterer. Ein guter Trunk, den Rasinski spendete, erhöhte die sorglos frohe Stimmung; ja sogar fröhliche Kriegslieder erschallten laut, bis die sinkende Nacht und die Ermüdung des Tages den Schlaf herbeiriefen, der das bewegte Treiben des Lagers in eine feierliche Ruhe verwandelte.

Sechstes Kapitel.
    Mitternacht war vorüber. An einem größern Feuer, unter einer breitästigen Eiche, in den Reitermantel gehüllt, lag Rasinski und schlief auf dem schlichten Lagerstroh, ohne das Obdach einer Hütte oder eines Zeltes über sich zu haben; Boleslaw, Jaromir, Bernhard und mehrere jüngere Offiziere waren um ihn gelagert.
    Eine Ordonnanz trat in den Kreis und fragte Ludwig, der eben die Feuerwache hatte, nach Rasinski. Noch ehe er antworten konnte, fuhr dieser, dessen leiser Schlummer seine Wachsamkeit kaum unterbrach, bei dem Klange seines Namens auf.
    »Was gibt's?« fragte er, sich aufrichtend.
    Die Ordonnanz überreichte ihm einen versiegelten Zettel, den Rasinskt bei dem Schimmer des Biwakfeuers las. »Sehr wohl, Kamerad! Ich werde pünktlich sein«, sprach er, nachdem er den Inhalt gelesen hatte.
    Die Ordonnanz entfernte sich wieder. Rasinski rief nach seinem Reitknecht. »Sattle sogleich meinen Rappen,« gebot er diesem; »und auch ihr, Freunde,« wandte er sich zu Ludwig und dem gleichfalls erwachten Bernhard, »sattelt euere Pferde, denn wir müssen sogleich fort.«
    Schnell sprangen beide auf und eilten nach ihren Pferden; denn sie hatten sich's zum Gesetz gemacht, alle Arbeiten des Soldaten selbst zu verrichten, um weder weichlich zu erscheinen, noch Neid zu erregen. In wenigen Minuten kehrten sie zu Pferde zurück. Rasinski war schon aufgesessen. Die übrigen Offiziere, welche am Feuer gelegen hatten, waren erwacht und aufgestanden. »Ich bin wahrscheinlich vor Tagesanbruch zurück,« sprach Rasinski; »sollte indessen während meiner Abwesenheit etwas vorfallen, so haben Sie sich an den Rittmeister Negolinski, als den ältesten des Regiments, zu wenden. Er ist bereits benachrichtigt. Auf Wiedersehen!«
    Sie ritten im Schritte hinweg, den Hügel herab durch das Gebüsch gerade auf das Zelt des Kaisers zu.
    »Wie spät ist's?« fragte Rasinski.
    »Halb zwei Uhr«, erwiderte Bernhard.
    »So kommen wir noch fast zu früh. Um zwei Uhr, im ersten Dämmerschein will der Kaiser den Niemen rekognoszieren; ich bin befehligt, mich seinem Gefolge anzuschließen, weil ich die Gegend genau kenne. Ich empfehle euch möglichste Stille, lieben Freunde, denn in so wichtigen Zeitpunkten, wo der Kaiser seine ungeheuern Entwürfe abwägt, haßt er jedes müßige Geräusch.«
    Beide junge Männer wurden durch diese Worte in eine feierliche Spannung versetzt. Zum ersten Male sollten sie jetzt Zeugen eines jener großen Augenblicke sein, wo der Beherrscher Europas die ersten Fäden zu einem kühnen, riesenhaften Gewebe aufspannte. Sie wurden gewissermaßen in die Werkstätte der Weltgeschichte geführt, sollten dem unscheinbaren Quell der Ereignisse nahen, der, zum Strom, zum Ozean anwachsend, die Geschicke ganzer Nationen auf seinen brausenden Fluten zu wiegen bestimmt war.
    Stumm ritten sie, dem gleichfalls ernst schweigenden Führer folgend, durch Nacht und Wald dahin, zwischen den rechts und links düster glimmenden Feuern des Lagers hindurch, auf das Zelt des Kaisers zu. Sie fanden dort schon mehrere Generale und Offiziere versammelt. Einige Minuten später trat der Kaiser aus dem Zelt und schwang sich aufs Pferd. Es begann schon zu dämmern; doch war die ganze Landschaft noch in einen grauen Schleier, welchen hier und da die Morgennebel verdichteten, gehüllt. In weniger als einer Viertelstunde hatte man die Waldhöhen, welche den Lauf des Niemen begleiten, erreicht. Der schöne Strom schimmerte blaß glänzend, halb erlöschende Sterne widerspiegelnd, zwischen den dunkeln Ufern. Jenseit beginnt das russische Gebiet.
    Der Kaiser hielt auf der Anhöhe still und sah sich einige Zeit aufmerksam nach allen Seiten um. Dann sprengte er im kurzen Galopp die Höhe hinunter nach dem Flusse zu. Als sein Pferd die feuchte Sandfläche des Ufers erreichte, sank es plötzlich mit den Vorderfüßen ein, stürzte und schleuderte den Reiter über sich hinweg auf den Boden.
    Einen Augenblick fühlte sich jeder durch dieses Ereignis, welches einem unheilvollen Vorzeichen zu ähnlich sah, betroffen; Rasinski war so überrascht daß er unwillkürlich halblaut ausrief: »Ein Römer

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