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1812 - Ein historischer Roman (German Edition)

1812 - Ein historischer Roman (German Edition)

Titel: 1812 - Ein historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ludwig Rellstab
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Spazierfahrt eingeladen war. Die Mädchen setzten sich sogleich auf den Rasen und begannen den Kranz zu winden, der sich unter ihren zierlichen Händen schnell füllte und rundete. Als er vollendet war, wählte die Gräfin drei Blumen aus, eine wilde Rose, eine Zyane und ein Veilchen, das sich als ein Spätling noch an einer schattigen Stelle vorgefunden hatte. Dem Dichter wurden jetzt die Augen verbunden, die Gräfin gab jedem der jungen Mädchen eine der drei Blumen und gebot nun Benno, zu wählen. Dieser nannte die Rose, und Lodoiska wurde seine Gefährtin. Ihr war es bestimmt, den vollen, frischduftenden Kranz auf Bennos blondlockiges Haupt zu setzen. Sie nahm ihn weiblich schüchtern und leicht errötend, Benno beugte ein Knie vor seiner schönen Gebieterin und empfing mit klopfendem Herzen den Lohn für seine dichterische Gabe. »Möge dieser Kranz Sie so erfreuen,« sprach Lodoiska, »wie Ihre schöne Erzählung unser Herz bewegt hat.« Bei diesen Worten wich das holde Erröten wieder von ihrer Wange, und es blieb, nur jener leichte Anhauch zurück, der ihren schönen Zügen einen so ungemein fesselnden Reiz verlieh. Benno stand auf, ergriff ihre Hand, küßte sie mit Lebhaftigkeit und erwiderte mit den leicht geänderten Worten des Dichters:
»O, daß mein Lohn nicht eure Strafe werde!«
     
    Er reichte ihr jetzt den Arm und begleitete sie zu ihrem Rasensitz, wo er sich an ihrer Seite niederließ. Indessen war die Sonne dem Meridian schon näher gerückt, und nur die hohen Wölbungen der Zweige erhielten es angenehm kühl. Doch war es Zeit, in das Städtchen zurückzukehren, wenn man das Mittagsmahl nicht warten lassen wollte. Erlhofen als König erklärte dies für die wichtigste Angelegenheit des Reichs und schwur jedem die fürchterlichsten Strafen zu, der hierin Ungehorsam oder Verrat üben würde. Gehorsam nahm daher die Gräfin seinen Arm an, und der Zug setzte sich paarweise, wie er gekommen war, wieder in Bewegung und nahm seine Richtung hinabwärts.
    Das Mahl war bereit; in gemischter Reihe setzte man sich um die lange Tafel, um es einzunehmen. Erlhofen mit der Gräfin präsidierten natürlich, und der Monarch ließ es nicht an mannigfaltigen Reden fehlen, zu denen die Tafel ihm hinlängliche Gelegenheit gab. Auch brachte er selbst viele Trinksprüche aus, welche allgemeines Ergötzen erregten. Dazu kam, daß der Wein, so sparsam er auch die weiblichen Lippen benetzte, die Frauen dennoch unvermerkt mit seiner Macht überschlich und sie zu jener freiern Lebhaftigkeit und Keckheit anregte, die, wenn ein gebildeter sittlicher Sinn sie stets in den Schranken des Schönen erhält, ihnen so ungemein reizend steht. Sie verlieren dann unwillkürlich nur das Zuviel der Sorgsamkeit und Selbstbeherrschung, gewinnen jenes offene Vertrauen, das ihnen den Mut einflößt, auch einmal ihr ganzes fröhliches Herz zu zeigen; und, wie sie selbst so völlig ohne Arg sind, werden sie fester und fester in dem Glauben, keine Brust auf der weiten Erde sinne und beherberge etwas Unlauteres. Dann tritt die schöne weibliche Natur in ihrer heitern Entfesselung von den Banden vor uns, die doch nur die tief in unsere Sitten und Gesinnungen eingedrungene Verderbnis den Frauen aufgelegt hat, und welchen sie sich freilich für die Dauer des Lebens fügen müssen. Der ängstlich hemmende Faden, an dem sie kaum zu flattern wagten, zerreißt, und sie gaukeln einmal fröhlich, von den Lüften und Wellen der Freude getragen, von freiern Flügeln gewiegt, in dem erweiterten Gebiet umher und wagen sich zu bisher nicht gekannten Höhen und Räumen. Die Sitte und die Tugend herrschen alsdann nur als freie schöne Gewohnheiten des Lebens und der Seele, nicht mehr als fremde strenge Gebieterinnen über sie.
    Mit der höhern Röte der Wange färbt sich auch die Lust schimmernder und lockender; frische Lüfte regen die unmerklich fließenden Wellen der Seele zu höherm Wallen auf, und rascher eilt der Strom zwischen den reizenden Ufern dahin. Die Wärme im Saale, obwohl durch offene Fenster, die ein kühles Fächeln der Lüfte erzeugten, und durch den Duft der Kränze und Blumen gemildert, wurde doch nach einiger Zeit drückend, und bald hielt es zumal die Jugend nicht mehr länger aus, an den bestimmten Platz gefesselt zu sein, so angenehm er durch die Nachbarschaft wurde. Mit allgemeiner Freude nahm man daher die Nachricht auf, welche Heilborn und Arnheim als Festordner und Minister brachten, daß zwei Gondeln auf der Elbe in Bereitschaft

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