1812 - Ein historischer Roman (German Edition)
lägen, um die Gesellschaft nach dem Schreckenstein zu führen, wo man den Nachmittag zubringen wollte. Erlhofen hätte zwar noch gern eine Zeitlang bei Tafel gesessen, zumal da der ansehnliche Vorrat von Champagner noch lange nicht erschöpft war, doch die Jugend ließ sich nicht länger fesseln und selbst seine königliche Autorität vermochte nichts über sie. So brach man denn fröhlich auf, die Paare blieben geordnet wie zuvor, und der Zug trat seinen Weg nach dem Ufer des Flusses an.
Die mit lustig flatternden Wimpeln und Kränzen geschmückten Gondeln gewährten einen so heitern Anblick, daß man dadurch schon mit der besten Hoffnung für die schöne Fahrt erfüllt wurde. Eine angenehme Musik von Blasinstrumenten – es waren böhmische Bergleute – ließ sich von einem eigens für dieselben eingerichteten Nachen vernehmen. Die festlich gekleideten Schiffer, deren Hüte mit Bändern und Sträußen prangten, begrüßten die Gesellschaft mit einem fröhlichen Lebehoch. Die Stegbretter wurden ausgelegt, die Damen hüpften mit Grazie hinüber, die Paare nahmen, wie sie einander folgten, auf den Bänken Platz; bald waren die Gondeln gefüllt, die Musik stimmte einen lauten Tusch an, unter Jubelruf der Schiffer und der versammelten Zuschauer stieß man vom Lande, und vom muntern Ruderschlage bewegt, schwammen die Nachen lustig auf dem Strome dahin. Jetzt erst, da man die Mitte desselben erreicht hatte, konnte man recht tief in das prachtvolle Waldtal hinunterblicken, aus dem die Elbe hervorbraust. Hinterwärts stieg das Städtchen freundlich am grünen Ufer empor und spiegelte sich hell in den Wellen ab; vorwärts nur dunkle Waldhöhen, die sich schroff gegen den Strom hinabsenkten und ihr düsteres Bild in seine Tiefe warfen. Zur Linken wurde der Blick durch den schwarzen Felsen des Schreckensteins begrenzt, der, in schräger Richtung aus dem Gebirge hervorragend, den Gipfel weit über die Wellen streckt und seine Mauerkrone von verfallenen Türmen drohend über den Abgrund hinaushängt. Ein frischer Wind, der das Tal hinaufwehte, machte die Ruder unnötig; man konnte die Segel aufspannen und sich von ihnen gegen den rauschenden Strom hinaufziehen lassen. Pfeilgeschwind zogen die Ufer an den Schiffenden vorbei und zeigten eine Reihe reizend wechselnder Bilder. Bald fuhr man unter einem hohen Bergkegel, der den breiten Schatten quer über den Strom warf, dahin, bald tanzten die Gondeln auf den silbernen, im Sonnenscheine blitzenden Wellen, während das Ufer in grüner dämmernder Nacht des Waldes und der Beschattung ruhte und sich heiter in der Flut abspiegelte. Jetzt verengte sich das Bett des Stromes, und er schoß brausend zwischen und über Felsen dahin, jetzt erweiterte er sich zum ruhigen See, in dessen Tiefe die Wolken still vorüberzogen. Nach einer Stunde hatte man das Ziel, den Schreckenstein und seine Felsenburg, erreicht.
»Ich hätte mir den Fels doch höher vorgestellt,« sprach Lodoiska zu Benno, indem sie, am Ufer stehend, die Blicke nach den Turmspitzen hinaufwarf; »von weitem erschien er mir weit majestätischer. Er ist der erste schroffe Fels, den ich in meinem Leben sehe, denn bei uns in Polen ist das Land nur eben und von Wald oder Brüchen durchschnitten.«
»Lassen Sie uns nur erst den Gipfel besteigen,« erwiderte Benno, »alsdann werden Sie es wohl bald empfinden, daß der Fels nicht unbedeutend ist. Jetzt verschwindet er freilich gegen die viel höher hinter ihm aufsteigenden Waldgebirge.«
Lodoiska heftete noch immer die sinnenden Blicke auf den verwegen überhangenden Gipfel. »Gebirgsländer sind doch sehr schön!« sprach sie nach einer kleinen Pause. »Polen hat auch Gebirge, aber nur im südlichen Teile, wo sich einige Zweige der Karpathen erheben. Ich bin niemals dort gewesen.«
Ein Teil der Gesellschaft hatte, während beide sprachen, schon den Weg, die Felsenhöhe hinauf, angetreten; Benno reichte daher seiner schönen Kranzwinderin den Arm und führte sie gleichfalls den steilen Pfad hinan. Als sie die Höhe bald erreicht hatten, wollte sich Lodoiska umwenden, um des Rückblickes zu genießen, doch Benno bat sie, es zu lassen. »Gönnen Sie mir die Freude, Sie oben auf dem schönsten Punkte mit dem Überblicke des Ganzen zu überraschen. Ich würde Sie bitten, die Augen ganz zu schließen, wenn der Weg nicht von der Art wäre, daß selbst der aufmerksamste Führer nicht vor kleinen Unfällen schützen kann. Der Boden ist zu rauh, es liegen hier viele Steine im Wege, die
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