1812 - Ein historischer Roman (German Edition)
Kissen nieder; ihr Haupt ruhte in seiner Linken, er umschlang sie kühn mit der Rechten. Heftig preßte er das glühende Angesicht gegen die wallende, laut klopfende Brust. Seufzer, Tränen, Küsse mischten sich zum berauschenden Trank der Liebe; im selig betäubenden Wahn leerten sie den vergifteten Kelch bis auf die letzten Tropfen.
Mit fliegendem Schauder erwachte Alisette und wollte sich den Armen des Geliebten entreißen. Doch er ließ sie nicht! »Mein bist du für ewig,« rief er und hob die Rechte beteuernd gen Himmel, »so hab ich's geschworen! So halte ich den Schwur. Du, die Treue, die Liebende, nimm hin den Ring der Verräterin. Dieser goldene Reifen sei der Zeuge unsers Bundes. Er ist heilig geschlossen, er ist unverletzlich.« Er zog Lodoiskas Ring ab und steckte ihn an Alisettens Finger. Sie hing sprachlos an seiner Brust. » O, ich bin eine Verbrecherin,« rief sie endlich aus, »eine schwere Verbrecherin «! Aber du, du hast es verschuldet, für dich habe ich den Frevel auf meine Seele geladen. Du darfst mich nicht verwerfen.« Und mit neuen Küssen und Tränen hing sie an seinen Lippen. – – »Daß ich dir's nur gestehe! Was mich von außen auch mit harter Notwendigkeit hierher trieb, ein mächtigerer Zug des Herzens hätte mich doch auf diese verwegene Bahn geführt. Eine geheimnisvolle Stimme in meiner Brust weissagte mir, du ziehst dem Stern deines Glückes nach. Mein Auge hing mit Tränen an seinem tröstenden Schimmer, doch mein schwaches Glauben und Hoffen wähnte ihn unerreichbar hoch. Und nun, nun die Erfüllung mit überdrängender Gewalt vor mir steht – nun–«
Sie barg das Haupt weinend in ihr Gewand, hielt aber mit der Linken den geliebten Jüngling umfaßt. »Du Süßer, Holder! Ist es denn wahr, daß du mich liebst?« sprach sie schmeichelnd und kosend, da er stumm vor ihr stand. Die hoch aufprasselnde Flamme war gesunken. Jaromir sah jetzt, was ihre Wut ringsumher zerstört hatte. Ein kalter, schauerlicher Windstoß der Reue fuhr durch seine düster nachglühende Brust. »Ob ich dich liebe?« sprach er in brechender Wehmut. »Außer dir hat jetzt die Erde nichts mehr für mich! Du bist das einzige Gestirn, das mir leuchtet – solltest du! – nein, nein! – du wirst mir ewig glänzen. Du süße Geliebte! Deine zärtliche Hand heilte ja die glühende Wunde, mit der eine giftige Verräterin mein Herz grausam zerriß! O, du warst mein guter Engel in schrecklicher Stunde!«
Er lehnte seine Stirn gegen die ihrige; seine Tränen flossen unaufhaltsam. Wie er sich auch dagegen wehrte, jetzt erst fühlte er es, – er war doch nicht glücklich! Ein Wirbelsturm hatte ihn hoch auf den Gipfel des Lebens getragen; aber unter seinen Füßen fand er keinen Boden; der Sturm senkte die Fittiche, und mit ihm sank er tiefer und tiefer hinab. Nur nach den leuchtenden Sternen über ihm hob er das Auge bang empor.
Der schauerliche Schlag einer Turmuhr, der die neunte Stunde verkündete, weckte beide Liebende aus ihrer Betäubung. »Du mußt fort,« rief Alisette aufspringend; »wenn man dich hier fände – ich wäre verloren!«
»Verloren! Wer dürfte nach dem Bund, den wir geschlossen–«
»Um des Allmächtigen willen, ich höre Geräusch,« unterbrach sie ihn; »die Tür öffnet sich, der Schall dringt durch die leeren Gänge bis hierher. Wir hier im Dunkel – wenn man käme! Liebster, wenn dir mein Leben, meine Ehre teuer ist, so verlaß mich jetzt! Du weißt nicht, wie ein weibliches Herz empfindet. Mich würde die Scham vernichten, wenn die Frauen – o, ich bitte dich, ich flehe dich, entfliehe! Noch ist es Zeit! Hier durch diese Tür in den Garten hinab!« Selbst gab sie ihm den Säbel, den er abgelegt hatte, in die Hand und drängte ihn mit beklommenem Schmeicheln, zu gehen.
»Schüchternes Reh!« sprach er wehmütig lächelnd. »Wie hold ist diese Scheu! Sei ruhig, du darfst das Auge aufschlagen gegen viele, die sich fleckenlos bedünken! Denn rein ist deine Seele; dein Herz bleibt ein jungfräuliches Heiligtum!« – »O, so schone meines Herzens!« flehte sie. »Wenn du mich liebst, so geh! Es sei der erste Beweis, den du mir gibst!«
Er umschloß sie noch einmal, küßte sie mit wehmütiger Zärtlichkeit und verließ dann hastig leise das Gemach durch die Tapetentür. »Leb wohl! Morgen! Morgen!« flüsterte Alisette ihm zärtlich nach und verschwand. Ungesehen erreichte er den Garten. Er wollte jetzt den Versuch machen, ob derselbe wirklich bis an die Straße stoße, wo sein
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