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1812 - Ein historischer Roman (German Edition)

1812 - Ein historischer Roman (German Edition)

Titel: 1812 - Ein historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ludwig Rellstab
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geraten sind. Es war aber auch kein Spaß, im vollen Galopp in das enge Loch einzufahren, und noch dazu im Finstern!«
    Ludwig hörte die letzten Worte des Postillons nicht mehr, weil er fühlte, daß Bianka an ihm niedersank und er die Ohnmächtige in seinen Armen auffing. »Um des Himmels willen, Schwester,« rief er, indem er sie mit beklommener Seligkeit sanft an sich drückte; »Schwester, was ist dir?« – Sie antwortete nicht; überhaupt ließ sich kein Laut vernehmen. Ludwig bebte schaudernd zusammen. Hatte der entsetzenvolle Augenblick allen zugleich das Leben geraubt? Indem erhellten Funken das Dunkel. Es war der Postillon, welcher Feuer anschlug; bei dem zuckenden Lichtschimmer sah er, daß Bianka bleich, mit geschlossenen Augen und Lippen in seinen Armen lag, und auch die Pflegerin, wie es schien, bewußtlos auf den Sitz des Wagens zurückgesunken war. »Licht, Licht!« rief er hastig. – »Gleich, Signore!«
    Die Laterne war angezündet und erhellte das düstere Felsgewölbe der Galerie mit einem trüben Schimmer. Der Postillon hob sich in die Höhe und fragte: »Es hat doch niemand Schaden genommen? Aber der Teufel, wo ist denn der Bediente?« Erst jetzt bemerkte Ludwig, daß dieser fehle; er mußte gestürzt sein. »Wir müssen ihn aufsuchen«, rief er, und ließ die teuere Last, die er in seinen Armen hielt, sanft auf den Sitz des Wagens nieder. Dann sprang er hinaus, um mit dem Postillon gemeinschaftlich den Verunglückten aufzusuchen. Dies war schnell geschehen, denn sie fanden ihn dicht am Eingange der Galerie besinnungslos auf dem felsigen Boden liegen. An der Stirn blutete er zwar ein wenig, doch war die Verletzung nicht bedeutend, auch schien er sonst nicht verwundet zu sein. Der Postillon wusch ihm mit einer Handvoll Schnee, den der Wind an den Seitenwänden der Galerie angetrieben hatte, die blutende Stirn, während Ludwig ihn aufzurichten und zu erwecken bemüht war. Der Alte fand die Besinnung schnell wieder. »Wo bin ich?« fragte er mehr erstaunt als erschöpft. Ludwig nahm sich nicht die Zeit, ihm zu antworten, sondern eilte, die Laterne in der Hand, zu Bianka zurück. Sie schien, sanft in den Wagen zurückgelehnt, nur leicht zu schlummern, so still und lieblich waren ihre Züge. Als ihr der Schimmer des Lichts, das Ludwig auf den Rücksitz des Wagens gestellt hatte, ins Auge fiel, öffnete sie es, schloß es aber, geblendet, ebenso rasch wieder und atmete tief auf. Ludwig ergriff ihre Hand und nannte leise, aber mit Innigkeit ihren Namen; sie schlug das Auge groß auf. Dann fragte sie fremd, noch halb in ihre Träume versunken: »Wer ruft mich denn?«
    »Dein Bruder, Bianka«, sprach Ludwig tief gerührt.
    »Bruder! Bruder!« rief sie noch bewußtlos ängstlich aus, neigte sich bebend vorwärts und lehnte sich sanft gegen Ludwigs Brust, der sie in seliger Überwältigung an sein Herz und einen leisen Kuß auf ihre Stirn drückte. Da fuhr sie, plötzlich erwachend, auf, sah ihn mit scheu staunenden Blicken an, und indem sie sich jungfräulich beschämt seinen Armen entwand, sprach sie: »Mein Gott! Die Betäubung – ich weiß nicht, was ich getan habe!« Indem fiel ihr Blick auf die Pflegerin, die noch besinnungslos mit zurückgesunkenem Haupt in der Ecke des Wagens saß. Ein Ausdruck des Schreckens überflog bei diesem Anblick ihre Züge; sie öffnete die Lippen zu einem Ausruf, aber er erstarb in einem gepreßten Seufzer. Da bewegte sich die Ohnmächtige und sprach einige fremdartige Worte aus. »Sie lebt! Sie lebt!« rief Bianka freudig und umschlang den Nacken der Zurückgesunkenen, indem sie sie liebend emporrichtete. »O meine Margarete, erkennst du mich?«
    Ihre Umarmung war so innig, daß Ludwig ahnen mußte, es finde hier ein näheres Verhältnis als das zwischen Herrin und Dienerin statt. Doch bevor er sich einer bestimmten Mutmaßung bewußt wurde, richtete Bianka die ängstliche Frage an ihn: »Aber wo ist – um des Himmels willen –« Ludwig erriet, was sie wollte, und unterbrach sie durch die Nachricht, daß der Diener keinen Schaden genommen habe. Indem kam dieser mit dem Postillon heran. Bianka machte eine rasche Bewegung ihm entgegen; der Diener verbeugte sich mit Ehrfurcht und sprach ernst: »Ich freue mich, daß die gnädigste Herrschaft keinen Schaden genommen hat; auch ich bin der Gefahr noch glücklich genug entgangen.«
    Man sah in Biankas Zügen, daß eine seltsame Bewegung in ihrem Innern vorging; sie schien auf das heftigste mit einem Wunsche zu kämpfen,

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