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1812 - Ein historischer Roman (German Edition)

1812 - Ein historischer Roman (German Edition)

Titel: 1812 - Ein historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ludwig Rellstab
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dein Lager mit ihm, denn du siehst, er ist erschöpft von harten Bedrängnissen. Dir übergebe ich ihn, und wisse, deine Tochter hält ihn so teuer wie einen Bruder – darum gelte er dir gleich einem Sohne.«
    Feodorowna sprach mit warmem Eifer. Gregor reichte dem Gast die Rechte zum Zeichen, daß er ihn gern aufnehme, und redete ihn lateinisch an: »Salve! Sis felix quomodo mihi es exoptatus!«
    Ludwig erkannte jetzt erst, daß er einen Diener des Herrn vor sich habe; erfreut, ein Mittel zu sehen, sich mit ihm zu verständigen, entgegnete er ihm: »Salve, mi Pater! Gratias tibi ago ex intimo pectore salvatori vitae meae! Sis felix quomodo benignus es.«
    Feodorowna nahm Abschied von Ludwig und ging zur Mutter zurück. Er selbst folgte dem ehrwürdigen Gregor, der ihn zu einer zweiten Hütte führte, vor welcher ein großes Feuer loderte. Mit Dank nahm er das Mahl an, welches der Greis ihm bot. Während er die schlichte, aber stärkende Kost verzehrte, trat auch Willhofen heran und setzte sich auf Gregors wohlwollende Aufforderung zu ihnen. Jetzt fand Ludwig erst Muße, sich nach seinem Vater, der Diener sich nach der Mutter Ludwigs und ihren Schicksalen zu erkundigen. Ach, sie konnten beide nur von Dahingegangenen sprechen, aber dennoch bewegten diese Erinnerungen ihre Seelen süß schmerzlich. Nur eine Sorge, nur ein Kummer lag auf Ludwigs Herzen: Bernhards Geschick. Zwar waren alle starken Kräfte seiner Hoffnungen wach geworden, doch bedurfte es auch wieder nur eines Blicks auf seine Umgebung, um seine Befürchtungen ebenso mächtig anzuregen.

Sechstes Kapitel.
    Es wurde fast völlig Nacht, bevor Ludwig wieder etwas von Feodorownen vernahm. So gern er sich in der Gesellschaft des würdigen Geistlichen, der ihn noch überdies mit einem warmen Pelze beschenkt hatte, befand, und so manches er durch Willhofens Gespräche erfuhr, was seine Seele tief bewegte, so schlug sein Herz doch mit unruhiger Sehnsucht nach der Geliebten, und er fürchtete jeden Augenblick, die Hoffnung, sie wiederzusehen, könne ihn täuschen. Jetzt endlich kam eine Botschaft von ihr: die, sich zur Abfahrt anzuschicken. Gregor und Willhofen begleiteten ihn in die Hütte, wo der angespannte Schlitten mit den ausgeruhten und abgefütterten Pferden stand. Bald traten die beiden Frauen heraus, dicht in Pelze und Schleier gehüllt. Die Gräfin wurde geführt; sie war sichtlich sehr ermattet. Im Vorübergehen an Ludwig grüßte sie durch eine leichte Bewegung des Hauptes; Feodorowna dagegen reichte dem Freunde die Hand dar und sprach: »In wenigen Stunden werden wir den Ort der Ruhe erreicht haben; Sie werden sich dessen, hoffe ich, erfreuen. Vergeben Sie nur, daß unser Schlitten nicht auch Raum für Sie hat.«
    Ludwig erriet, was das Zartgefühl Feodorownas beunruhigte, nämlich der Umstand, daß er auf einem Dienerplatz sitzen mußte. Zuvorkommend unterbrach er sie daher, indem er ihr beim Einsteigen behilflich war: »Mein Auge wird für Sie sehen und wachen in dieser dunkeln Nacht; es ist ein Auftrag, der mich glücklich macht.« Mit diesen Worten schwang er sich auf den Vordersitz, wo Willhofen an seiner Seite Platz nahm. Der Kutscher setzte sich auf die Pritsche und übergab Willhofen die Zügel; zwei Diener zu Pferde ritten voran. Gregor reichte, nachdem er von den Frauen Abschied genommen, auch seinem jungen Gaste, den er schnell liebgewonnen hatte, die Hand zum Lebewohl dar. Ludwig drückte sie mit dem Gefühl warmer Dankbarkeit. Jetzt fuhr der Schlitten windschnell davon.
    Man mußte mitten durch den Wald. Es war zwar sehr dunkel und der Himmel finster bezogen, doch leuchtete der Schnee hinlänglich, um den Weg zu erkennen. Indessen hörte die feste Bahn bald auf, und man mußte in dem tiefen, lockern Schnee langsamer fahren. Ringsumher war alles still. Nur ein hohles Sausen, welches durch die schwarzen Wipfel der Tannen zog, und das Schnauben der Pferde waren die einzigen Laute, die man in dieser erstarrten Wüste vernahm.
    Ludwig hatte jetzt Muße, einen Blick auf die jüngst erlebten Schicksale zurückzuwerfen. Eine Welt von Ereignissen lag in dem kurzen Raum von gestern zu heute. Sie hatten sich so schnell aufeinander gedrängt, daß eines vor dem andern verschwand. Die von allen Seiten bestürmte, erschütterte Seele erhielt sich fester und klarer durch das Gleichgewicht der auf sie eindringenden Gewalten; einer einzelnen hätte sie vielleicht unterliegen müssen, oder wäre ihr doch ganz anheimgefallen. Jetzt traten die ersten

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