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1812 - Ein historischer Roman (German Edition)

1812 - Ein historischer Roman (German Edition)

Titel: 1812 - Ein historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ludwig Rellstab
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Herzens; jetzt aber ist er zur Erkenntnis gekommen; sein war die Schuld, sein ist nun die Reue und Buße.«
    »Wie?« rief Lodoiska aus, der jetzt alle Erinnerungen mit den brennendsten Farben wieder in der Seele erwachten, die aber nicht verstand, was die letzten Worte der Gräfin andeuten sollten; »so glaubt er wieder an meine Liebe und zertritt mein Herz nicht mehr? O dann bin ich ja so glücklich! Er hat mich tief verwundet, aber alles, alles sei ihm vergeben. Ach, meine Mutter, wie glücklich machen mich deine Worte!« Sie erhob die ermatteten Arme, um sie um den Hals der liebsten Mutter zu schlingen, aber sie war zu entkräftet; doch die Gräfin folgte dem zärtlichen Wink, beugte ihr Antlitz zu der Liebenden nieder und ließ es sanft von ihren schmeichelnden Händen an die wallende Brust drücken. Selige Tränen benetzten das Angesicht der Kranken; aber eine düstere Bestürzung drang in die Brust der Mutter und Mariens ein, die ihr die neue Täuschung rauben sollten.
    Doch die Gräfin erkannte die Notwendigkeit; sie hatte ihren Entschluß gefaßt; sie führte ihn aus. Nachdem Lodoiska ruhiger geworden war, fuhr sie fort: »Dein liebendes Herz vergibt; aber darf Jaromir, der die Schuldlose so tief kränkte, die Vergebung empfangen?« – »Ach, das Gefühl seines Unrechts wird seine Buße sein, und Buße versöhnt!« – »Wenn er nun aber selbst schuldig wäre, wenn er – « – »Verläßt er mich?« rief Lodoiska außer sich, und mit so heftiger Bewegung, daß der Gräfin bange wurde, die wilden Träume ihrer Krankheit möchten zurückkehren. »Nein, liebstes Kind,« sprach sie; »aber er hat schwer gegen dich gefehlt, so schwer, daß du ihm nicht vergeben darfst, er sich nicht vergeben lassen kann.«
    »O Mutter, ich weiß nicht, was er verbrochen, doch ein Härteres gab es nicht für mich, als daß er mein Herz verkannt, es des Verrats anklagte. Der Allbarmherzige vergibt jedem Bereuenden, und ich soll nicht dürfen?« Auf ihrem Angesicht glänzte eine so himmlische Güte, als sie diese Worte sprach, eine so fromme Verklärung leuchtete aus ihren Blicken, daß die Gräfin ihre strenge Gesinnung überwunden fühlte. »Ja, du darfst ihm vergeben, du darfst es,« sprach sie gerührt; »du hast es getan, noch ehe du seine Schuld kanntest – jetzt erfahre sie.«
    Sie gab ihr den Brief des Bruders. Lodoiska betrachtete ihn einige Augenblicke, dann sprach sie: »Nein, lies du ihn nur, wenn ich ihn hören soll; am liebsten weiß ich gar nichts, es ist ja genug, wenn er bereut. Würde er denn so grausam gegen mich sein, wenn ich gefehlt hätte?« Das reine Herz Lodoiskas ahnte Jaromirs Schuld nicht; ihre Seele wußte nichts von den vielen Verbrechen, mit denen der befleckte Verkehr des Lebens den Mann bis zur Gleichgültigkeit vertraut macht. Doch die Gräfin erkannte die Notwendigkeit, ihr alles zu entdecken. »Wahrheit sei zwischen dir und ihm,« sprach sie; »dann vergib, wenn du kannst und willst. Aber wissen mußt du; denn selbst die Vergebung wäre ja sonst nur eine halbe, und Jaromir dürfte sie nicht annehmen, denn er müßte wähnen, sie sei nicht wahrhaft und vollkommen, weil du dir nicht zugetraut habest, die Schuld zu kennen, die du verzeihen wolltest.«
    So begann sie den Brief Rasinskis langsam vorzulesen, indem sie sorgfältig die Kranke dabei im Auge behielt, um zu sehen, ob ihre Kräfte dadurch auch nicht zu heftig angegriffen würden. Doch es war nicht der Fall, Lodoiska blieb ruhig; auf ihren Lippen schwebte nur ein wehmütiges Lächeln, welches der Freundlichkeit ihrer Pflegerinnen galt, und aus den Augen flossen ihr leise Tränen herab, die sie über Jaromirs Fall und Schmerz vergoß, welche beide Rasinski mit einfachen Farben der Wahrheit schilderte.
    Der Brief war zu Ende. Lodoiska blieb einige Augenblicke schweigend und still weinend auf ihrem Lager sitzen, während Marie sich liebkosend bemühte, sie zu trösten. »Jaromirs Brief laß mich selbst lesen«, sprach die Kranke endlich und unterstützte ihre Bitte durch einen in das tiefste Herz dringenden wehmütigen Blick. Die Gräfin reichte ihn ihr; sie las mit häufig durch Tränen verdunkeltem Auge, las ihn ein-, zwei-, dreimal. »O mein Gott,« rief sie endlich aus, »wie unermeßlich hat der Unglückliche gelitten, und wie tief gebüßt! Und ich sollte ihm nicht vergeben? Ach, er liebt mich ja noch, er liebt mich heißer als jemals! Alles, alles sei vergessen! Er darf meinen liebenden Arm nicht zurückweisen!«
    Eine selige Freude

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