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1812 - Ein historischer Roman (German Edition)

1812 - Ein historischer Roman (German Edition)

Titel: 1812 - Ein historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ludwig Rellstab
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Blick der Gräfin aber drängten sich noch andere Ahnungen auf, die der Wahrheit nur zu nahe kamen.
    In den ersten Tagen des Dezember, wo die drei Frauen, welche überhaupt in der tiefsten Eingezogenheit lebten, eines Abends im trauten Verein beieinander saßen, schellte es zur ungewohnten Stunde. Der Kammerdiener meldete einen fremden Offizier, der mit Nachrichten von dem Heere komme. Eine fliegende Röte der Freude färbte Lodoiskas bleiche Wangen, denn sie dachte: Sollte es vielleicht Jaromir selbst sein? Die Gräfin war gleichfalls gespannt darauf, wer der Fremde sein möchte, und nahm daher den Besuch an, obwohl kein Name genannt worden war; wenigstens hofften alle auf nähere Kunde von ihren Freunden, nach der sie sich ja schon so lange gesehnt hatten.
    Die Tür öffnete sich – Arnheim trat ein. War gleich durch sein Erscheinen die Hoffnung verschwunden, daß er Nachrichten von Rasinski bringe, so hatte man sich doch so nahe mit dem gebildeten Manne befreundet, daß er allen herzlich willkommen war. Die Gräfin wandte nach den ersten Begrüßungen das Gespräch auf die Kriegsangelegenheiten. Sie fragte, was Arheim darüber denke; denn seit einiger Zeit waren allerlei Gerüchte in Umlauf gekommen, die Betrachtungen und Besorgnisse mancher Art erregten.
    »Wir wissen nichts, als daß der Kaiser mit der großen Armee sich zurückzieht«, entgegnete Arnheim. »Doch glauben wir, daß es zu einer bedeutenden Schlacht in der Gegend von Minsk oder Wilna kommen muß, denn die russischen Korps der Nord- und Südarmee ziehen sich näher und näher zusammen. Dies ist die Ursache, weshalb der Fürst Schwarzenberg sich jetzt zur Deckung hierher gewandt hat. Diesen Nachmittag ging ein Gerücht, Minsk selbst sei durch Tschitschagow genommen; allein der französische Gesandte widerspricht demselben.« – »So möchte ich um so eher geneigt sein es zu glauben,« sprach die Gräfin unruhig; »denn seit einiger Zeit hat sich gerade das bestätigt, was in den Bureaus der Gesandtschaft den entschiedensten Widerspruch fand.« – »Der Stellung der Armee nach müssen die Russen Minsk besetzt haben,« erwiderte Arnheim; »ja es kann schon seit vierzehn Tagen der Fall sein.« – »Das würde mich nicht wundern,« sprach die Gräfin; »denn die unglücklichen Nachrichten werden uns solange als möglich verborgen gehalten. Doch was glauben Sie von den Plänen und Absichten des Kaisers? Wo wird er dem Rückzuge Einhalt tun? Denkt er in Litauen die Winterquartiere zu nehmen, oder hierher zu kommen?«
    »Ich vermute,« war Arnheims Antwort, »er wird Witebsk, Wilna, Minsk, wenn es nicht verloren ist oder wiedererobert wird, zu seinen Kantonnements wählen und von dort aus den Krieg im nächsten Frühjahre mit frischen Kräften beginnen; falls er sich nicht zu erschöpft fühlt und daher dem Frieden geneigter zeigt.« – »So hätten,« bemerkte die Gräfin, »die Ergebnisse dieses Feldzugs doch nicht den Opfern entsprochen?« – »Aufrichtig gestanden, nein!« erwiderte Arnheim frei. »Wenn es dem Kaiser gelungen wäre, in Moskau Frieden zu schließen – dann allerdings. So aber würde er wenigstens ebenso weit gelangt sein, wenn er nach der Einnahme von Smolensk den Feldzug beschlossen und Polen organisiert hätte.«
    Die Gräfin wiegte das Haupt sinnend: »Es war wenigstens unsere Hoffnung so«, seufzte sie mehr als sie sprach. »Doch erzählen Sie uns etwas von Ihrem eigenen Ergehen, liebster Freund!« fuhr sie, das Gespräch abbrechend, fort. »Was führt Sie zu uns? Sie sind schneller zurückgekehrt als wir glaubten.«
    »Es sind Geschäfte mancher Art und nicht die erfreulichsten,« antwortete Arnheim, »die mich nach Warschau führen; Eintreibung von Lieferungen, kleine Unterhandlungen wegen tausend verschiedener Dinge, zum Teil auch eigene Angelegenheiten.« Er warf hierbei einen Blick auf Marien hinüber, die, ein wenig verwirrt, das Auge fest auf die Arbeit richtete, mit der sie eben beschäftigt war.
    »So sind Sie uns nicht ein so flüchtiger Gast als neulich?« nahm die Gräfin mit Zuvorkommenheit das Wort auf. »Ich hoffe, Sie werden dann mein Haus als die Zuflucht betrachten, wo Sie sich von Geschäften erholen können, wenn die Stille einer weiblichen Zurückgezogenheit Ihnen nicht zu unbefriedigend ist nach dem vielbewegten Treiben, das der Krieg mit sich bringt.« – »Was könnte mir Willkommeneres gestattet werden!« rief Arnheim freudig. »Der Krieg verdirbt uns nicht für das Glück vertraulicher

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