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1812 - Ein historischer Roman (German Edition)

1812 - Ein historischer Roman (German Edition)

Titel: 1812 - Ein historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ludwig Rellstab
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Zurückgezogenheit, er erzieht uns vielmehr dazu, weil sich jeder Genuß durch Entbehrung erhöht. Ich wenigstens habe mich oft aus dem Gewühl des Kriegs in die beglückende Ruhe Ihres einsamen Gartens zurückgesehnt; jenes Spaziergangs gedenke ich noch heute mit tiefbewegter Erinnerung.«
    Marie stand auf und verließ unter einem Vorwande das Zimmer. Ihre Bewegung mochte Arnheim daran erinnern, daß er sich zu lebhaft ausgedrückt habe, denn er lenkte ein und sprach im allgemeinen von dem Genuß, den er in der Schönheit der Natur finde, und wie er dabei genügsam und unersättlich zugleich sei. Genügsam, weil ein Baum, ein Wiesenplan, ein Sonnenblick ihm den reichsten Genuß verschaffe, der mit der Schönheit der Landschaft wenig wachse; unersättlich, weil er in diesen einfachen Freuden an der Natur ohne Maß schwelgen könne. Doch gelang es ihm nicht, unbefangen zu bleiben, zumal als Marie, mit den deutlichsten Spuren tiefer innerer Bewegung in den stets die reinste Wahrheit ihrer Seele enthüllenden Zügen, zurückgekehrt war. Die Sorge, wie er sich dies zu deuten habe, beunruhigte ihn zu sehr, als daß er sich nicht einem so geübten Auge, wie das der Gräfin war, hätte verraten müssen. Arnheim hatte, seit er Warschau verließ, nur den Gedanken mit sich getragen, um Marien, für die er eine tiefe Neigung gefaßt, zu werben. Daher war sein ganzes Bestreben seit jener Zeit darauf gerichtet gewesen, sich ein äußerliches Verhältnis zu bilden, das ihm das Glück des Ehestandes gestatten könne. Seine Stellung als Soldat war nicht von der Art, auch nicht seiner Neigung entsprechend, solange die politischen Verhältnisse alles dem Willen Frankreichs unterordneten. Der Abschied war ihm, sobald der Feldzug beendigt war, versprochen, und er wollte sich dann dem Staatsdienst als Diplomat widmen, wozu Vorkenntnisse und Gewandtheit des Benehmens ihn geeignet machten. Diese Hoffnungen waren der Erfüllung nahe, und der Hauptzweck seines Aufenthalts in Warschau daher in der Tat kein anderer als der, um Mariens Hand zu werben. Ein richtiges Gefühl sagte ihm, daß sie mehr als Wohlwollen für ihn hege, doch eine fast ebenso bestimmte Ahnung ließ ihn fürchten, daß es nur eine warme freundschaftliche Neigung, ja mehr Teilnahme für den Landsmann sei als wirkliche Liebe. Um sie daher nicht ferner zu beunruhigen, hütete er sich wohl, diese zarte Saite wieder zu berühren, und blieb bei den allgemeinsten Gesprächen. Doch brach er seinen Besuch früher ab, als er sonst wohl getan hätte.
    Die Gräfin würde sich einer Verbindung Mariens mit Arnheim mehr als erfreut haben; sie glaubte, und gewiß nicht mit Unrecht, das Glück des von ihr so geliebten Mädchens werde dadurch begründet werden; denn Arnheim war eines edeln Herzens wert, und Marie bedurfte eines Anhalts bei ihrer einsamen Stellung, Und was überdies für einen heitern Schmuck des Lebens gilt, versprach dieses Bündnis gleichfalls in nicht gewöhnlichem Maße. Deshalb beschloß sie, alles zu tun, wozu ihre mütterliche Stellung zu Marien sie berechtigte, um es zustande zu bringen. Unvermutet suchte sie daher noch am späten Abend Marien in ihrem Zimmer auf, als diese eben damit beschäftigt war, an ihrem Tagebuche zu schreiben. »Ich möchte wohl wissen, was meine junge Freundin heute in dieses Buch einträgt«, begann sie, jedoch, weil sie Mariens Weise kannte, die in ernsten Dingen niemals eine scherzende Wendung liebte, im Tone einer mütterlichen Teilnahme. – »Wenn Sie es ernstlich wünschen,« entgegnete Marie, die die Absicht des Besuchs ahnen mochte, »so will ich es Ihnen nicht verbergen.« – »Nein, Marie,« sprach die Gräfin; »es gibt Geheimnisse, welche sogar die Tochter gegen die Mutter haben darf. Vieles in uns muß rein in uns bleiben; mir deucht, man verkennt die innersten, selbständigen Rechte des Menschen, wenn man in Freundschaft, Liebe oder sonst irgendeinem Verhältnis das unbedingte Vertrauen fordert. Und die es fordern, gewähren es oft am wenigsten.« – »In dieser Sache darf ich es Ihnen schenken, ja, ich würde Sie vielleicht morgen selbst darum gebeten haben,« erwiderte Marie; »denn Ihr mütterlicher Rat wird mir jetzt unentbehrlich.« – »Und ich komme, ihn dir anzutragen«, fiel die Gräfin rasch ein, da sie eine glückliche Stimmung für ihre Absichten zu erkennen glaubte. »Nun öffne mir dein Herz, Liebe, und glaube, du seist meine zweite Tochter.«
    Marie blickte sie mit ihren treuen blauen Augen dankbar an und

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