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1812 - Ein historischer Roman (German Edition)

1812 - Ein historischer Roman (German Edition)

Titel: 1812 - Ein historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ludwig Rellstab
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müssen fremd zu uns sein, wir zu Ihnen, wenn wir hier nicht eine vertrauliche Offenheit walten lassen: so könnte uns eine glückliche Stunde, der wir vielleicht alle gern künftig einmal gedenken, kalt, ungenossen vorübergehen. Ich denke daher, wir tauschen Namen um Namen. Der meinige ist Stephan Rasinski; ich bin Oberst in des Kaisers Heer; diese, meine jungen Freunde und Kameraden, sind Offiziere desselben Regiments, Graf Boleslaw und Graf Jaromir; und Sie, mein Herr?«
    – »Mein Name ist Ludwig Rosen, ich bin ein Deutscher«, entgegnete Ludwig. – »Willkommen denn! Rosen ist ein schöner Name. Wohl dem, welchem noch Rosen blühen, und wären es auch nur Alpenrosen. Diese Zeit ist für mich dahin; denn wer bald sein vierzigstes Jahr erreicht hat, darf nicht mehr an Blüten denken und kann höchstens noch auf einige späte Früchte hoffen. Nun, auch ich sah Blüten – und sah sie auch fallen! Auf die Entfaltung jeder schönen Blüte, der Jugend, der Hoffnung, der Liebe! Stoßt an, junge Freunde, dieser Wunsch geht euch mehr an als mich!«
    Ludwig entsprach der Aufforderung in einer seltsamen Bewegung. Der Trinkspruch Rasinskis traf sein Herz schmerzlich; aber er erfüllte es auch wieder mit leisem Schimmer der Hoffnung; denn, wie es in solchen Stimmungen zu sein pflegt, er fand eine Art glücklicher Vorbedeutung in dessen Trinkgruß. Noch eine zweite Empfindung stieg lebhaft und Reue erweckend in ihm auf. Wie glücklich war die Offenheit des Grafen, welche vier Fremde wie durch das einzige gewissermaßen zauberisch wirkende Mittel des Austausches der Namen und nächsten Verhältnisse so rasch zusammenführte! Wenn ich nicht, dachte er, in scheuer Zurückhaltung es versäumt hätte, dem holden unbekannten Wesen, das mir seine nähern Verhältnisse verhüllen mußte, wenigstens die meinen zu entdecken, ihr meinen Namen zu nennen, so wäre das Band zwischen uns doch nicht völlig abgerissen, wenn ich sie auch jetzt nicht wiederfände. Nein, wie zart auch weibliches Handeln sein muß, gewiß würde Bianka mir ein Zeichen zukommen lassen, an dem ich sie dereinst wieder auffinden könnte. So hat diese ängstliche Versäumnis mich vielleicht unwiederbringlich um das Glück meines Lebens gebracht!
    Diese Gedanken erfüllten Ludwigs Seele, während das Gespräch sich über andere Dinge rasch fortbewegte. Graf Rasinski schien absichtlich die Rückkehr zu dem ersten Anfangspunkt, den er genommen hatte, zu vermeiden; die jungen Offiziere ehrten darin bescheiden seinen Wunsch. Man sprach von Italien, von Paris, von den Eigenschaften des Kaisers als Feldherr und Staatsmann, von seinem Zuge über den Großen St. Bernhard, dem man so nahe war, von den furchtbaren Rüstungen zu dem bevorstehenden Kriege, von den verwegenen Entwürfen seines Geistes überhaupt, der die Fahnen Frankreichs rastlos von den Pyramiden bis zum Tajo, vom Tajo bis in die Schneegefilde Rußlands führe – kurz, man sprach über alles, was damals den Geist jedes Denkenden mächtig aufregte, was alle Zungen Europas in Bewegung setzte.
    So verschwand unvermerkt eine Stunde; das Mahl war vorüber, man begab sich zur Ruhe. Von mannigfaltigen Gedanken und Gefühlen so aufgeregt, daß er selbst nach den großen Anstrengungen des Tages nicht gleich einschlafen konnte, überdachte Ludwig auf seinem Lager, was er für den nächsten Morgen zu tun habe. Sollte er vorwärts, sollte er zurück? Machte er den Versuch, Bianka auf einer andern Straße aufzusuchen, oder sollte er nur die nächste, welche ihn nach Deutschland führte, unablässig verfolgen? Es war ihm nicht entgangen, daß die Polen mit ihm ein und dasselbe Ziel der Reise hatten, und im ersten Augenblicke hätte er sich fast freudig verraten; allein es war ihm doch lieb, zur rechten Zeit geschwiegen und sich beherrscht zu haben; denn er würde sich durch eine solche Begleitung der Möglichkeit beraubt haben, seine Nachforschungen fortzusetzen. Er beschloß daher endlich, wenn es angehe, ohne von seinem hauptsächlichen Zweck zuviel aufzugeben, sich sobald als möglich wieder von den neuen Bekannten zu trennen. Unter diesen Gedanken entschlief er endlich, von der großen Müdigkeit übermannt.

Achtes Kapitel.
    Es war schon heller Tag, als er durch ein leises Klopfen an seine Tür erwachte. Auf sein »Herein!« trat der jüngste der drei Offiziere, der blondlockige, blühende Graf Jaromir ein. »Verzeihen Sie,« sprach er, »daß ich Sie so früh störe. Allein es würde uns ein so großes Vergnügen

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