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1812 - Ein historischer Roman (German Edition)

1812 - Ein historischer Roman (German Edition)

Titel: 1812 - Ein historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ludwig Rellstab
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Bedenken?«
    Mit diesen Worten beugte sich Marie teilnehmend zu der Mutter hinab und legte den Arm schmeichelnd um ihren Nacken. Diese sah der Tochter gerührt in das holde, von der frohen Hoffnung verschönte Antlitz und drückte sie dann bewegt ans Herz. »Keine, Marie, keine als die, welche das Mutterherz immer hat. Wir haben Ludwig nun zwei Jahre nicht gesehen. Er ist weit in der Welt umhergewesen, hat ihre glänzendsten Seiten kennen gelernt. Wird seinem schon damals so stolzen, feurigen Herzen unsere häusliche Beschränkung genügen? Wird er zufrieden auf die Lebensbahn hinblicken, die vor ihm liegt? Wenn du mich nicht so rein freudig siehst, als du selbst dich fühlst, so suche dies nicht in geringerer Liebe, sondern eben in der größern und darum sorglichern. Weil dein junges unerfahrenes Herz keine andere Welt kennt als unsere häuslich engbegrenzte und die wenigen nähern Freunde unsers Umgangs; weil der ganze Kreis deiner Wünsche sich im nächsten Ringe leicht erreichbarer Gegenstände bewegt, ohne eine Hemmung zu empfinden, glaubst du, daß Ludwig sich hier ebenso befriedigt fühlen werde? Es wird vielleicht mit allen Dingen des Lebens so gehen wie mit seinem Zimmer; weil seine Fenster nach der Elbe hinausliegen und sein Schlafzimmer in das kleine Gärtchen unsers Hauses blickt, so meinst du es reizend gelegen. Vergiß aber nicht, daß er in Heidelberg den Neckar unter seinem Fenster vorbeiströmen und das stolze Schloß gegenüber sich darin spiegeln sah, und erinnere dich, daß er aus der Schweiz, aus Italien zurückkehrt. Wie unsere Gegend ihm dürftig, wie die Lage seiner Wohnung ihm leicht beengt erscheinen mag, so dürften noch viel mehr unsere bürgerlichen, häuslichen, ja fast nur weiblichen Lebensverhältnisse und Beziehungen ihm nicht genügen. Und wie vollends, wenn nun ein Blick auf seine künftige wahrscheinliche Laufbahn ihm zeigt, daß er sich stets in diesen Schranken wird bewegen müssen! Glaubst du, daß er dann glücklich sein wird?«
    »O gewiß, beste Mutter,« erwiderte Marie; »er hatte von jeher ein so leicht befriedigtes, wohlwollendes Herz, so viel Anhänglichkeit an die stillen Freuden unsers kleinen Kreises, daß er sich auch jetzt gewiß glücklich und heimisch bei uns fühlen wird. Ich denke, gleich der erste Anblick seines Zimmers soll ihm die alte Behaglichkeit wiedergeben. O käme er nur jetzt gleich zurück und sähe, wie die breite prächtige Elbe zwischen die Rosenstöcke vor dem Fenster hindurchschimmert, wie die Abendsonne über den blauen Höhen am andern Ufer steht und ihr freundliches Gold durch das Blumenlaub in das Gemach wirft! Wenn er seine Bücher schön geordnet im neuen Schranke, über dem Sofa das Bild des Vaters erblickt, und gegenüber das ihm so liebe kleine Fortepiano mit den alten wohlbekannten Notenheften darauf wiederfindet, die so oft den Kreis unserer heitersten Stunden ausfüllen halfen, o gewiß, gute Mutter, dann wird er sich gleich heimisch und wohl bei uns fühlen!«
    »Du liebe Törin,« sprach die Mutter lächelnd, »du meinst, weil du deine ganze mädchenhafte Freude an dem zierlich und ordentlich eingerichteten Zimmer hast, die Wünsche eines Mannes würden damit auch befriedigt sein? – Du kennst Männer und Welt noch zuwenig, Marie!«
    »Aber ich kenne meinen Bruder, ich kenne Ludwig,« entgegnete sie, und eine Träne der schwesterlichen Rührung perlte in ihrem blauen Auge; »ich denke nicht, daß er sich glücklich fühlen wird, weil sein Zimmer freundlich und wohnlich ist, sondern weil er gleich erkennen wird, daß ihn hier die alte Liebe, die alte Herzlichkeit der Mutter und Schwester erwartet!«
    Ein Posthorn ließ sich hören. »Er ist es«, rief Marie und eilte ans Fenster. Auch die Mutter schreckte freudig zusammen, doch plötzlich besann sie sich und sprach: »Wie du dich verleiten lässest, Marie! Meinst du denn, er werde wie ein vornehmer Mann mit Extrapostpferden hier eintreffen? Bedenke doch, daß er nur mit den Mitteln eines Studierenden gereist ist. Vielleicht, so pflegt es bisweilen zu gehen,« setzte sie lächelnd hinzu, »kommt er, weil die Barschaft ihm ausgegangen ist, ganz demütig zu Fuße in seiner Vaterstadt wieder an.«
    Marie, die indessen ihre Täuschung wahrgenommen hatte, sprach, sich zur Mutter umwendend: »Ich denke mir jede Art seiner Ankunft als möglich. Wenn er ganz schüchtern und leise an die Tür pochte, so würde ich glauben, er verstellte sich, um uns desto mehr zu überraschen. Wenn eine

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