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1812 - Ein historischer Roman (German Edition)

1812 - Ein historischer Roman (German Edition)

Titel: 1812 - Ein historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ludwig Rellstab
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vielleicht noch eine Stunde, bis es zu regnen anfange. Ziehe es die Gesellschaft indessen vor, hier oben zu verweilen, so wolle er ihnen gern den Schlüssel zu dem kleinen, engen Raum im Turme lassen, der jedoch, nachdem er jetzt mit Gerätschaften, Stühlen und Tischen angefüllt sei, kaum einige Personen fassen könne.
    Ludwig nahm das Anerbieten mit Dank an und versprach, die Tür sorgfältig zu schließen und den Schlüssel zuverlässig in Pillnitz abzugeben. Obwohl der Gärtner die Erfahrung für sich hatte, so schien es doch, als täusche er sich diesmal über die Nähe des Gewitters sehr. Wenigstens wollte Ludwig vorher den Frauen die Wahl lassen, ob sie den Rückweg dem freilich nicht sehr angenehmen Aufenthalte vorzögen. Er nahm daher den Schlüssel an sich und stieg dann eiligst die Stufen wieder hinan, um Bericht zu erstatten. Die Stimmen waren geteilt. Die Männer, zumal Bernhard, entschieden sich unbedingt für das Bleiben, da man augenscheinlich kein Obdach mehr gewinnen könne, bevor das Ungewitter in seiner ganzen Gewalt losbräche. Die Frauen waren, besonders mit Rücksicht auf die Besorgnis, in der die Mütter schweben würden, wenn man ausblieb, für das gewagte Unternehmen, sofort aufzubrechen. Da ihr Wunsch am meisten in Betracht kam, indem eigentlich Gefahr nicht zu fürchten war, beschloß man denn, zu gehen. Aber indem Marie, von Rasinski geleitet, den Fuß auf die erste Stufe der schmalen, steilen Treppe setzte, blitzte es, daß der ganze Himmel in Flammen stand und man das Auge geblendet schließen mußte; zugleich ertönte ein furchtbarer Donnerschlag, von dem der Berg in seinen Grundfesten zu erzittern schien. Geblendet und erschreckt bebte Marie zurück und drängte sich schüchtern gegen ihren Begleiter; dabei glitt sie mit dem Fuße aus, und hätte Rasinski sie nicht rasch umfaßt, so würde sie vielleicht einen gefährlichen Sturz hinab getan haben. Wenigstens schien die Gefahr so nahe, daß Emma und Julie, die sie fallen sahen, einen lauten Schrei ausstießen und eilig hinzusprangen. Doch hatte Marie sich schnell wieder aufgerichtet und erwiderte auf die von allen Seiten zugleich an sie gerichtete, ängstliche Frage, ob sie Schaden genommen habe, mit einem holden Lächeln auf dem erblaßten Gesicht: »O nein, nur ein wenig erschreckt bin ich.«
    Rasinski unterstützte sie sorgfältig und geleitete sie mit Vorsicht hinab. Erst als sie den ebenen Boden erreicht hatten, bemerkte er, daß ihr das Gehen schwer wurde. »Der Fuß schmerzt mich ein wenig,« erwiderte sie auf seine Frage; »aber es wird sich wohl bald geben.« Zugleich bemühte sie sich, ihres Schmerzes Herr zu werden und fest aufzutreten. Allein sie vermochte es nicht, der Fuß brach unter ihr ein und sie mußte sich an Rasinski halten, um nicht niederzusinken. »Jetzt werde ich doch wohl hier oben das Gewitter abwarten müssen,« sprach sie; »denn schnell hinabzugehen ist mir nun unmöglich.«
    »Auch nicht, wenn ich dich von der andern Seite unterstütze, liebe Marie?« fragte Ludwig und ergriff ihren rechten Arm. Marie versuchte einige Schritte, dann antwortete sie mit einem sichtlich bekämpften Schmerz in den Zügen: »Ich glaube auch so nicht.« – »Wir tragen Sie hinab«, rief Bernhard rasch. – »Nein, nein,« entgegnete Marie mit einem freundlichen Lächeln, das sie durch eine abwehrende Bewegung der Hand begleitete, »ich kann ja nun hier oben verweilen; Ludwig bleibt wohl bei mir.«
    »Nun bleiben wir alle«, rief Julie entschieden, und Emma stimmte sogleich ein.
    »Es ist auch wahrlich das beste,« sprach Ludwig, »denn es fallen ja schon Tropfen, und das übermäßige Eilen beim Hinabgehen könnte, wenn wir durch den Regen überrascht würden, die gefährlichsten Folgen haben. Hoffentlich wird ja das Wetter wohl bald genug vorüber sein, da es so heftig zu werden scheint.«

Sechstes Kapitel.
    Die letzten Arbeiter, welche noch einige Gerätschaften in einen großen Korb zusammengepackt hatten, verließen eben den Platz; der Hofgärtner war schon hinunter. Es behielt also Ludwig, der die Schlüssel besaß, völlig freie Hand, sich in dem Turme einzurichten. Er öffnete das kleine Gemach, das, mit übereinander gebauten Tischen, Stühlen, Zeltstangen und vielem andern Gerät unordentlich angefüllt, kaum den Eintritt so vieler Personen, viel weniger irgendeine Bequemlichkeit gestattete. Die Männer griffen indessen rüstig zu, um durch ein sorgfältigeres Ineinanderschichten und Übereinanderpacken einigen

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