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1813 - Kriegsfeuer: Roman (German Edition)

1813 - Kriegsfeuer: Roman (German Edition)

Titel: 1813 - Kriegsfeuer: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Ebert
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Fresse hauen! Als wir noch beim Major im Zwölften Korps waren, da gab es wenigstens richtiges Essen …«
    Karl verzog das Gesicht. »Stimmt. Aber für eine Schüssel Suppe lass ich mich nicht als Feigling beschimpfen!«
    Sie waren nicht nur hier gelandet, weil Oudinots Korps nach der Niederlage von Dennewitz aufgelöst wurde. Seit Marschall Ney und dann auch der Kaiser verkündet hatten, die Schlacht um Berlin sei nur durch Schuld der Sachsen verlorengegangen, war es im Bataillon des Majors de Trousteau plötzlich sehr schwer für sie geworden. In der ganzen Grande Armée ging das Wort von den feigen Sachsen um – zu Unrecht, denn die hatten nicht nur tapfer gekämpft und dabei viele Männer verloren, sondern unter hohem Einsatz den Rückzug der Franzosen auf Wittenberg erst ermöglicht.
    Die im Sommer geschlossenen Freundschaften zählten plötzlich nicht mehr. Obwohl Karl seinen Posten in der Linie nicht verlassen hatte und Anton sich nie wieder unter einem Trainwagen versteckte, sondern an seinem Platz marschierte und inzwischen alle Signale fehlerfrei schlug.
    Da ein Teil von Oudinots Korps ohnehin bei Reyniers Siebentem landete, dem auch die Mehrheit der sächsischen Armee unterstellt war, hatte de Trousteau sie dorthin geschickt, ehe ihretwegen noch eine blutige Schlägerei ausbrach. Es hätte ihm zwar nicht unbedingt den Schlaf geraubt, doch dieser Tambour war wirklich noch sehr jung. Der sollte ihm nicht die Truppe verderben. Als Kanonenfutter waren er und sein Bruder schließlich brauchbar.
    »Du hast ja recht, es ist eine Schweinerei, dass sie uns die Schuld an allem geben …«, lenkte Karl ein. »Aber davon lassen wir uns nicht unterkriegen!«
    Er zog und zerrte an seinem Bruder herum, um ihn wieder auf die Beine zu bekommen.
    Doch Anton stellte sich stur. Er starrte über Karls Schulter hinweg und sagte verträumt: »Weißt du noch, wie es in der Küche duftete, wenn Mutter Pflaumenkuchen buk? Oder wenn sie Linsen mit Räucherspeck kochte? Rotkraut mit Äpfeln … ausgelassenes Schmalz mit viel Zwiebeln und Majoran …«
    Ihm liefen die Tränen vor lauter Heimweh und Hunger.
    »Hör sofort auf, von Essen zu reden, sonst hau ich dich!«, knurrte Karl.
    Mattes, ein junger Füsilier aus Frauenstein, ließ sich neben Anton in den Schlamm fallen.
    »Hau ihn nicht. Wir haben es doch alle satt«, meinte er und stieß einen deftigen Fluch aus. »Uns Sachsen behandeln sie wie den Abschaum der Armee, schlimmer als die Strafregimenter. Aber wer ist denn am schnellsten kurz vor Berlin weggerannt?«
    »Wir bestimmt nicht«, mischte sich mit höhnischem Grinsen Friedhelm ein, Korporal und der Älteste und Erfahrenste in ihrem Zug. Er war schon in Auerstedt dabei gewesen und sogar in Russland. Dort hatte er sich mehrere Zehen abgefroren, was ihm einen etwas eigentümlichen Gang verlieh.
    »Aber Männer, sprecht gefälligst ein bisschen leiser. Das grenzt nämlich an Meuterei, was ihr da redet. Der Leutnant sieht schon zu uns herüber, und ihr wollt doch keinen Ärger bekommen, oder?«
    Die Stimmung in der ganzen Truppe war hundsmiserabel; nicht nur wegen der Strapazen, des Hungers und der vielen Toten. Es war vor allem der Vorwurf der Feigheit, der für Aufruhr unter den Sachsen sorgte. Daran hatte nicht einmal etwas geändert, als Napoleon vor ein paar Tagen an mehrere Dutzend Sachsen das Kreuz der Ehrenlegion verlieh und eine anfeuernde Rede hielt. In das obligatorische »Vive l’Empereur« stimmten nur noch ein paar Offiziere ein.
    »Ich an deiner Stelle, Kleiner, wäre mir außerdem nicht so sicher, dass du zu Hause noch ein Bett und ein Dach überm Kopf hast!«, sagte Friedhelm bedeutungsschwer zu Anton. Der und auch sein Bruder starrten ihn an.
    »Ich stamme aus Bischofswerda, das ist schon im Mai bis auf drei Häuser vollständig niedergebrannt«, erklärte der Korporal scheinbar gelassen. »Habt ihr mal mitgezählt, durch wie viele verwüstete oder abgebrannte Dörfer wir in den letzten Tagen marschiert sind? Und wollen wir wetten, dass der Heitere Blick heute auch noch in Flammen steht? Wieso sollte es ausgerechnet dort besser sein, wo ihr herkommt?«
    Er schaute von einem zum anderen in der Gruppe, die sich mittlerweile eingefunden hatte, und es war den Gesichtern der Männer anzumerken, dass sie überlegten, wie es wohl in ihren Heimatorten aussah.
    »Jetzt zieht nicht solche Leichenbittermienen! Ich bin doch nicht bis nach Moskau und wieder zurück gelaufen, um mich dann vor der eigenen Haustür

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