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1813 - Kriegsfeuer: Roman (German Edition)

1813 - Kriegsfeuer: Roman (German Edition)

Titel: 1813 - Kriegsfeuer: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Ebert
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auf und schaut, wen ihr vor euch habt?«, spottete Gabler in recht scharfem Tonfall. Die Badener rissen weisungsgemäß die Augen auf, erstarrten vor Schreck und brachten es nicht fertig, den Kommandanten mit dem Schlüssel aufzutreiben.
    Mit solchen Truppen kann man wirklich keinen Krieg gewinnen, dachte Bonaparte zynisch. Da sieht man es wieder!
    In Gedanken hatte er das Bulletin schon fertig formuliert, mit dem er die Niederlage von Leipzig erklärte:
    Eigentlich sei die Schlacht siegreich für die Franzosen ausgegangen. Doch dann sei die
gesamte
sächsische Armee übergegangen, mit
sechzig
Geschützen! Und diese sechzig Geschütze seien dann samt und sonders auf die eben noch verbündeten Franzosen gerichtet worden! Ein derart unerhörter Verrat musste ja den Ruin des Heeres bringen. Nur dadurch sei den Alliierten der Sieg
geschenkt
und er zum planmäßigen Rückzug gezwungen worden.
    So würde er es der Welt begründen, und die Welt würde es glauben. Dass nur dreitausendzweihundert Sachsen übergegangen und lediglich vier Geschütze umgedreht worden waren, wusste keiner außer den Beteiligten. Und die konnten sich nicht wehren. Außerdem war das ja schon fast die gesamte sächsische Armee. Viel mehr als die verbliebenen siebenhundert Infanteristen, ein paar überlebende Kürassiere und die zwei Leibgrenadierbataillone gab es nicht mehr.
    Als sich der Schlüssel zum Barfüßertor auch nach längerer hektischer Suche nicht auftreiben ließ, verlor der bis dahin mit stoischer Miene im Sattel sitzende Kaiser die Geduld. »Allez! Allez!«, rief er Gabler zu, um die Sache zu beschleunigen. Es war deutlich zu hören, dass die Alliierten schon zum Sturm auf das Hallesche Tor ansetzten. Bald würden Blüchers Truppen durchbrechen.
    Immer mehr versprengte Offiziere schlossen sich dem Zug an. Vom Peterstor brauchte der illustre Zug beinahe ein Stunde zum Äußeren Ranstädter Tor. Durch die Menschenmenge, die immer noch schubste und drängelte, um über die Elsterbrücke zu kommen, den einzigen Ausweg aus der Stadt, mussten seine Garden dem Kaiser Platz verschaffen.
    Als er die Brücke endlich passiert hatte, ritt Napoleon mit seinen Begleitern nach Lindenau und richtete in der dortigen Mühle für ein paar Stunden sein Hauptquartier ein.
    Leipzig war damit für ihn schon Geschichte. Ein abgeschlossenes Kapitel.
    Nur eines blieb noch zu tun: den letzten Flussübergang aus der Stadt zerstören, um Verfolger fernzuhalten. Da Gersdorff keinen Aufschub erreicht hatte, mussten es sich alle selbst zuschreiben, die dadurch verreckten.

Barmherzigkeit
    Leipzig, 19 . Oktober 1813
    F ür den ersten Moment hilflos stand Henriette vor der Thomaskirche. Große und kleine Kugeln krachten in die Stadt, rissen Ziegel von den Dächern, zersplitterten Fenster und durchschlugen Hauswände. Menschen schrien vor Angst und rannten wild durcheinander. Vom Brühl her, dem Zentrum des Pelzhandels in der Welt, stieg Rauch auf. Dort standen wohl mehrere Häuser in Flammen.
    Henriette gab sich alle Mühe, sich nicht von Chaos, Angst und Verzweiflung überwältigen zu lassen. Irgendetwas musste sie doch dagegen tun können, und sei es die winzigste Tat!
    Links der Kirche wurde unter freiem Himmel einem Mann auf einem Karren ein Bein amputiert. Der Chirurg hatte einen Helfer, sein Patient war bewusstlos – hier wurde sie also nicht gebraucht. Ein paar Schritte weiter wurden Verwundete auf einen Karren gehievt, die hofften, es doch noch aus der Stadt hinaus zu schaffen. Ein Soldat führte einen kleinen Jungen aus dem Gedränge; vielleicht ließ er sich aber auch von ihm den Weg zeigen.
    Vor dem königlichen Amtshaus stritten sich Soldaten in hellen Uniformen mit grünen Aufschlägen und ein Dragoner um einen lebenden Hammel. Der größte Raufbold und Wortführer der Soldaten war Pícaro vom Spanischen Strafbataillon, was Henriette nicht wissen konnte. Er und seine Kameraden hatten es endgültig satt, in der Grande Armée zu kämpfen, nachdem fast alle ihre Freunde gefallen waren. Und von einem gottverdammten französischen Dragoner würden sie sich ihre Beute nicht wegnehmen lassen!
    Ein paar Schritte weiter sah sie einen völlig abgekämpften Soldaten auf der Straße sitzen, einen Rheinbündler. Mit müder Stimme forderte er den hilflos neben ihm stehenden Gefährten auf: »Geh allahn weidda!«
    Henriette hockte sich vor ihn. »Hier, trinken Sie etwas. Ich habe auch Brot.« Bedächtig schlug sie das Tuch um den Laib auseinander und gab ihm ein

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