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182 - Im Dorf der Telepathen

182 - Im Dorf der Telepathen

Titel: 182 - Im Dorf der Telepathen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ronald M. Hahn
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Matts Adern.
    Mist, dachte er. Ausgerechnet jetzt! »Wie viele sind es?«
    »Sechs.«
    Eloise zitterte. »Je näher sie kommen, umso eher spüren sie, was wir hier machen.« Sie schaute Matt bittend an, denn natürlich fürchtete sie um Docs Leben.
    »Jemand muss sie aufhalten. Oder ablenken, bis Malie…«
    Matt zerbiss einen Fluch zwischen den Zähnen. Sechs Mann! Er war allein! Einen besseren Zeitpunkt hatten sie sich für das Experiment nicht aussuchen können.
    »Ich kümmere mich drum…« Er klopfte Eloise und Joe auf die Schulter, zückte den Kombacter und rannte los.
    ***
    Die jäh einsetzende Kälte machte Malie klar, dass der Übergang gelungen war.
    Wer empfindet, lebt. Sie fror entsetzlich.
    Es war dunkel. Kalte Sterne glitzerten am Himmel.
    Malie nieste und richtete sich auf. Die Welt hatte sich irgendwie verändert: Schneebedeckte Trümmer umgaben sie. Sie saß auf dem Boden und erinnerte sich an die Stadtruine, an deren Rand der Turm aufragte.
    Ihre Zähne schlugen aufeinander. Hier draußen gab es aufgrund mangelnden Sonnenlichts keine Farben: Alles war Schwarzweiß. Sie sah Bäume, die unter Schneelasten ächzten, und schartiges Gestein.
    Sie befand sich am Waldesrand. Es war finster, wie immer. Malie stand auf und schaute sich um. Wo war Graf Zarrats Lager? Hatte er es verlegt? Wo waren die Zelte seiner Vasallen?
    Sie erinnerte sich an niemals niederbrennende Feuer.
    War der Graf mit seinen Leuten abgerückt? War das schlimmste Übel der Welt nun frei? Hatte es das Schicksal des Grafen besiegelt?
    Malie erspähte keine Menschenseele. Auf der Ebene waren ein paar symmetrische Flecke zu sehen. Dort hatten Zelte gestanden. Waren sie verbrannt? Hier und da machte sie auch schneefreie Kreise aus. Dort hatten die Feuer der gräflichen Truppen gelodert.
    Sie kniff die Augen zusammen. Ihr Blick erfasste Aschehaufen und verkohlte Holzreste.
    An der ersten erkalteten Feuerstelle fand sie ein Schwert. In die Klinge war CAVE CANEM eingraviert.
    Wie witzig. Sie nahm die Waffe an sich. Sie lag gut in der Hand. Wie schade, dass keine Scheide dabei war.
    Der Turm stand da wie immer: finster, endlos hoch.
    Kein Licht hinter den Fenstern. Das Stahltor, das das Übel gefangen gehalten hatte, war in tausend Stücke zerplatzt, als wäre es gesprengt worden. Metallsplitter waren überall verstreut. Die Öffnung gähnte schwarz.
    Kein Prüfling war zu sehen.
    Es fing an zu schneien. Die Kälte kam Malie schlimmer vor als beim letzten Mal. Hatte die Macht ihr Empfinden damals oder jetzt manipuliert? Sie musste etwas zum Anziehen finden, sonst würde sie nicht lange überleben.
    Sie ging los. Unter ihren Stiefeln knirschte Schnee. Der Turm war keine hundert Meter entfernt, doch wegen der ihn einhüllenden Nebelschwaden kaum zu erkennen. Die Spitze verschwand im Dunst. Die Fenster waren klein und vergittert.
    Malie erinnerte sich an die letzten Sekunden ihres Aufenthalts in diesem bizarren Universum: Das Gestöhn der armen Seelen in den Turmkellern hallte in ihren Ohren.
    Sie hatte auch die Stimme des Weißen Ritters und seine gewählte Ausdrucksweise nicht vergessen. Wie selbstverständlich er davon ausgegangen war, dass die Menschen seinem Wohlergehen dienen mussten. Wer war er? Was war sein Ursprung? Über welche Fähigkeiten verfügte er?
    Malie ging durch das Tor und blickte sich um. Rechts an der Wand hing ein Holzkasten. In ihm stand eine Öllampe. Sie nahm sie an sich. Neben der Lampe lag auch eins der kleinen Dinger, die man »Lichter« nannte.
    Sie hatte eins bei einem rauchenden Vasallen des Grafen gesehen. Es war ein Funken sprühendes Feuerzeug, das einen Docht schnell zum Brennen brachte. Sie zündete den Laternendocht an.
    Sie war in einem großen kahlen Raum. Mehrere Türen und ein Tor – gegenüber – wichen von ihm ab. Das Tor, erkannte sie, als sie in den Raum dahinter leuchtete, führte in einen Stall, in dem vermutlich seit Ewigkeiten kein Reittier mehr stand. Rechts hinter der Tür befand sich ein Korridor mit schmucklosen Türen. Vor neunundneunzig Jahren, als das Übel noch von seinem Ansehen hatte zehren können, hatte dort wahrscheinlich sein Gesinde gehaust.
    Hinter der linken Tür lag ebenfalls ein Gang, doch er war breiter. Die Türen, von Schreinerhand geschnitzte Kunstwerke, zeigten, dass sie im Herrschaftsflügel gelandet war.
    Doch wo war die Herrschaft? Wo das Gesinde?
    Hatte die Macht sie eliminiert? Existierten die Bewohner dieser Ebene, wie der Weiße Ritter angedeutet hatte, nur dann,

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