1820 - Intrige auf Trokan
Ruhe bis auf die Knie hinunter. Diese Knie - das gleiche galt auch für die Arme - waren in zwei Richtungen beugbar; das gab den Herreach eine große Beweglichkeit, verlieh ihnen aber einen befremdlich anmutenden Stelzschritt.
Auffallend war darüber hinaus die fehlende Behaarung. Die helle, fast durchscheinende Haut wirkte beinahe transparent. Fast glaubte der Akone, im Inneren des Leibes die Organe langsam pulsieren sehen zu können.
„Dies ist Presto Go", stellte Jeromyn Argent vor. „Oberste Künderin des Kummerog."
Künderin, also weiblich. Und wie stellten die Terraner das fest? Äußerlich waren für den Akonen keine Geschlechtsunterschiede festzustellen. Allerdings konnte er auch nicht den ganzen Leib der Künderin betrachten. Sie war in eine gelbe Kutte gehüllt, die sehr feingesponnen wirkte und bis auf den Boden reichte.
Beim Eintreten hatte Centoar Vilgor sehen können, daß auf dem Rückenteil der Kutte ein blaues Oval zu sehen war, dessen Bedeutung ihm unbekannt war. Vermutlich waren es die Insignien ihres Standes als Oberste Künderin.
Begleitet wurde Presto Go von einer Gruppe von vier anderen Herreach, die leicht abgerissen wirkende violette Kutten trugen, auch sie mit dem Rückensymbol. Jeromy Argent stellte sie als Mahner vor, vermutlich so etwas wie Leibwächter, Beauftragte oder religiöse Unterweiser. Die genaue Funktion interessierte Centoar Vilgor ohnehin nicht.
Presto Go ließ ihre Blicke von einem Mitglied der Delegation zum anderen wandern. Es war ihr anzusehen, daß es sie Mühe und Überwindung kostete, soviel Fremdheit zu ertragen. Der Akone mochte in ihren Augen noch leidlich normal aussehen, aber einen Topsider oder Unither hatte sie bestimmt noch nie erblickt, geschweige denn einen Blue mit dem charakteristischen Tellerkopf.
„Du gestattest doch, Jeromy Argent, daß wir allein mit der Künderin sprechen, nicht wahr?" fragte Tayloz Üpkek. Obwohl er sich Mühe gab, einen verbindlichen Ton einzuschlagen, war die Frage dennoch eine Dreistigkeit. „Um der Wahrhaftigkeit willen. Oder hast du Einwände?"
Natürlich hatte der Terraner Einwände, aber er brachte sie nicht vor. Er murmelte eine Zustimmung und entfernte sich dann.
Man traf sich in einer großen Hütte aus Plastikmaterial, das die LFT zur Verfügung gestellt hatte. Auch dies war für die Herreach wohl geistiges Neuland - ihre Bauten waren nach den vorliegenden Unterlagen niemals so geräumig gewesen.
„Wir grüßen dich, Künderin des Kummerog", eröffnete Tayloz Üpkek die Unterhaltung, sobald Argent die Hütte verlassen hatte. „Wir haben von der Not und dem Elend gehört, das über eure Heimat hereingebrochen ist, und wir sind gekommen, um den Herreach unsere Hilfe und Unterstützung anzubieten."
Als der Translator in Aktion trat, von Jeromy Argent zur Verfügung gestellt, hörte Centoar Vilgor zum ersten Mal Worte in Herrod, der Hochsprache der Herreach, die zwar nicht überall gültig war, aber von jedem Herreach verstanden wurde.
„Uns wird bereits Hilfe zuteil."
Das Herrod klang ein wenig rauh und ungelenk. Centoar Vilgor hatte den Eindruck, daß es keine Sprache war, in der man komplexe wissenschaftliche Sachverhalte leicht darstellen und ausdrücken konnte.
Auch die Sprache machte deutlich, daß die Herreach um Jahrtausende hinter dem Niveau der Terraner hinterherhinkten.
Fraglich war, ob die Herreach überhaupt daran interessiert waren, ein Leben nach terranischen oder galaktischen Maßstäben auszurichten. Vielleicht wollten .sie ihre schlichte, fast ein wenig primitive Lebensweise weiterführen.
„Du bist also zufrieden mit dem, was die Terraner auf Trokan tun?"
„Sie retten die Welt", antwortete Presto Go knapp.
Sie wirkte beherrscht und selbstbewußt, durchaus nicht verlegen. Vielleicht sogar gereizt ... Centoar Vilgor hatte für Zwischentöne dieser Art eine feine Witterung.
Die Welt ...
Die Herreach hatten nie einen Eigennamen für ihren Planeten entwickelt - wozu auch, in ihrem früheren Dasein hatte es keine anderen Welten gegeben. Inzwischen, so hatte Vilgor erfahren, gingen sie nach und nach dazu über, den Namen Trokan zu verwenden.
Diese und viele andere Kleinigkeiten mußten die Herreach früher oder später als demütigend empfinden.
Kein Wesen liebte es, unablässig in der Rolle eines tumben Bittstellers und Fürsorgeempfängers zu leben. Zur Zeit allerdings standen praktische Nöte im Vordergrund und ließen die Herreach all diese Dinge ertragen.
„Wir hörten, Kummerog
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