1835 - Die Nacht der Killer-Sekte
mal einen Blick hineinwerfen und dann verschwinden. Auch ich werde nicht versuchen, den Helden zu spielen. Ich will nur mal schauen, das ist alles.«
Joseph starrte ihn an und überlegte. Dann sagte er: »Okay, tu es. Geh los.«
»Und was ist mit dir?«
Ein Seufzen war zu hören. »Du hast es zwar nicht verdient, aber ich werde dir trotzdem den Rücken frei halten …«
***
Sehr wohl fühlte sich Stephan Kowalski nicht, als er die Stufen des nächsten Absatzes hoch ging, um die Etage darüber zu erreichen. Er wusste nicht genau, was ihn erwartete, aber ein Spaß würde es nicht sein, das stand für ihn fest.
Er bemühte sich, so wenig Geräusche wie möglich zu verursachen, aber er konnte das leise Knirschen nicht vermeiden, wenn er die winzigen Steine unter seinen Sohlen zermalmte.
Was ihn erwartete, wusste er auch nicht. Eine freundschaftliche Begegnung würde es nicht werden, und er rechnete auch mit einer Überzahl an Feinden, deshalb wollte er auch kein Risiko eingehen und würde, wenn eben möglich, nur der Beobachter sein. Vorerst jedenfalls.
Die Treppe lag bald hinter ihm. Er trat in einen kahlen Raum. Es wurde ein wenig heller, weil durch Fensterlöcher schwaches Licht sickerte.
Kowalski blieb stehen und lauschte. Es gab zwei Öffnungen zu verschiedenen Räumen. In einem davon hielten sie sich auf. Das war für ihn zu hören. Aber es drangen keine lauten Stimmen an seine Ohren. Was er hörte, war mehr ein Flüstern.
Er ging auf Zehenspitzen weiter. Hier oben war die Luft noch schlechter. Sie stand, war kaum zu atmen. Spinnweben hingen in der Luft und strichen hauchzart über sein Gesicht. Der Schweiß lag auf seinem Körper, die Kleidung klebte. Hin und wieder rannen Tropfen über seinen Rücken.
Langsam drehte er den Kopf. Sein Blick war auf die rechte Seite gerichtet.
Es sah den offenen Durchbruch zum anderen Zimmer. Aber er konnte nicht erkennen, was sich dahinter tat. Die Dunkelheit schluckte viel, doch Konturen sah er trotzdem. Oder er glaubte, sie zu sehen. Umrisse, die zu Menschen gehörten.
Er schlich weiter.
Kaum hatte er einen Schritt nach vorn getan, da nahm er das Geräusch wahr, das aus dem Raum hinter der offenen Tür drang. Er wurste nicht, worum es dabei ging, denn einzelne Stimmen waren nicht zu unterscheiden, aber er fand schnell heraus, dass es sich um menschliche Laute handelte. Er traute sich nicht, noch weiter nach vorn zu gehen, weil er zunächst herausfinden wollte, was da genau passierte.
Das Geräusch setzte sich aus einem Summen zusammen. Es stammte von verschiedenen Stimmen, aber es war kein richtiges Summen. Bei genauem Hinhören stellte er fest, dass gesprochen wurde. Und dieses Sprechen glich einem Singsang.
So etwas wie ein Jagdfieber hatte ihn gepackt. Es gab jetzt kein Zurück mehr, nur noch den Weg nach vorn, und den würde er beschreiten. Nach drei weiteren Schritten hatte er die Öffnung erreicht und schaute hindurch.
Alles aus einem schrägen Winkel, und er sah deshalb auch nicht alles, aber was er zu sehen bekam, das reichte ihm. Hier in diesem Raum war so etwas wie eine Zentrale errichtet worden. Hier hatten sich die Mitglieder der Killer-Sekte versammelt. Er konnte ihre Anzahl nur schätzen, aber auch das ließ er bleiben, denn etwas anderes war viel wichtiger. Erst jetzt, wo er nahe an der Tür war, hörte er die Stimme einer Frau.
Noch hatte er die Sprecherin nicht zu Gesicht bekommen. Sie sprach auch so leise, dass er nichts verstand, aber sie redete in seiner Muttersprache, was ihn schon wunderte, denn es gab nicht viele Fremde, die polnisch sprachen.
Was wollte sie?
Er wusste es nicht. So genau war sie nicht zu verstehen. Sie redete zwar, aber das war auch alles. Und sie erhielt keinen Widerspruch.
Stephan Kowalski überlegte, was er unternehmen sollte.
Er hatte keine Ahnung, was richtig war. Für ihn stand fest, dass er es mit Feinden zu tun hatte, obwohl er sie noch nicht richtig zu Gesicht bekommen hatte. Er warf einen ersten Blick in den Raum, sah aber keine Gesichter, sondern nur Gestalten, die ihm den Rücken zudrehten.
Und er hörte die Stimme.
Diesmal sogar lauter.
»Nur so wird es uns gelingen, unsere Invasion zu starten. Heimlich, leise, aber gefährlich. Jeder muss das tun, was man von ihm verlangt, und keiner darf sich drücken. Ist das verstanden worden?«
Die Antwort bestand aus einem gemeinsamen Nicken.
»Das ist gut.« Die Sprecherin freute sich. Sie ging hin und her, und dabei waren ihre Schritte zu hören. Dann
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