1835 - Die Nacht der Killer-Sekte
erschien sie in seinem Blickfeld, und Kowalski bekam sie endlich zu Gesicht.
Er hielt den Atem an.
Ja, sie war es. Genau sie. Dieses helle Haar. Dieses Überblonde. Das konnte nur sie sein und keine andere. Sie hieß Justine Cavallo. Sie war eine Todfeindin des Geisterjägers John Sinclair, und sie hatte es jetzt nach Polen verschlagen, wo sie so etwas wie eine Armee aufbauen wollte. Oder eine Killer-Sekte, die in ihrem Namen agierte und nur das tat, was sie wollte.
Aber sie war eine Blutsaugerin, und jetzt fragte sich der Mönch, ob ihre Helferinnen und Helfer auch dieses Schicksal ereilen würde. Davon war Kowalski überzeugt, denn was blieb einem Blutsauger anderes übrig? Der Vampir gehörte zum Vampir, da gab es nichts zu rütteln. Nur dort konnte er sich wohl fühlen.
Aber waren die Menschen, deren Rücken Stephan sah, tatsächlich alles Vampire?
Das wusste er nicht. Da hatte er seine Zweifel. Es musste nicht so sein. Er wusste zwar nicht, wie sich Vampire genau verhielten, die hier aber kamen ihm vor wie Zuhörer, die darauf warteten, ihre Anordnungen zu erhalten.
Und so war es letztendlich auch, denn die blonde Cavallo erinnerte an eine Lehrerin, die vor ihren Schülern stand und sie auf etwas einschwören wollte.
Stephan Kowalski bewegte sich nicht von der Stelle. Er sagte auch nichts. Er lauerte. Er hoffte, dass er nicht niesen musste, denn in der Luft lag genug Staub.
Dann hörte er wieder die Stimme der Blonden. Sie stand vor den Gestalten wie eine Lehrerin vor der Klasse, und fing an, mit leiser Stimme auf sie einzusprechen.
»Noch seid ihr nicht so weit, aber es wird kommen. Wir werden nichts überstürzen, wir werden alles genau nach meinem Plan machen. Es wird irgendwann für euch alle ein Erwachen geben, das euch hineinführt in die neue Welt. In die neue Existenz, in jenes Leben, das ewig sein kann, wenn man sich vorsieht. Aber das alles kann und darf nicht so schnell gehen, denn gut Ding will Weile haben, das habe ich gelernt. Ich werde mir eine Person aus eurer Mitte heraussuchen und sie beißen. Ich lege bei ihr den Keim, und ihr werdet erleben, dass es ausreicht, um letztendlich alle zu infizieren. Ihr werdet gegenseitig euer Blut trinken, und so könnt ihr dafür sorgen, dass alle von euch diesen Weg gehen werden.« Sie nickte den Anwesenden zu. »Habt ihr das begriffen?«
Eine Männerstimme gab die Antwort. »Ja, das haben wir alle begriffen. Wir alle werden in den Genuss kommen. Die einen früher, die anderen etwas später. Ist das so?«
»Du hast es erfasst.«
»Und wer soll den Anfang machen?«
Die Cavallo lachte. »Das ist eine gute Frage. Wer sollte das tun?«
Sie hatte den Satz noch nicht ganz zu Ende gesprochen, da rissen mehrere Personen die Arme hoch. Die wollten den ersten Biss und hineingleiten in ihre neue Existenz.
Die Blutsaugerin freute sich. »Ich wusste doch, dass ihr mich nicht im Stich lasst. Jeder will den Anfang machen, will der Erste sein, und das ist gut.« Sie schaute und bewegte dabei ihren Kopf, aber die Entscheidung hatte sie längst getroffen.
»Ich nehme dich.«
»Danke.« Es war eine Männerstimme, die geantwortet hatte, und sie gehörte dem Mann, der schon mit ihr geredet hatte.
»Dann komm her.«
»Gern.«
In die versammelten Menschen geriet Bewegung. Sie machten Platz, drehten auch die Köpfe und verfolgten den kurzen Weg der Person, die sich gemeldet hatte.
Der Mann beeilte sich. Er konnte es kaum abwarten, sein Blut loszuwerden. Wäre es ihm möglich gewesen, er hätte sich direkt in die Arme der Weißblonden geworfen, aber so weit kam es nicht. Die Cavallo behielt eine gewisse Distanz bei.
Sie packte den Mann an den beiden Schultern, dabei schaute sie ihn an.
»Noch bist du ein Mensch.«
»Ja.«
»Und worauf freust du dich?«
»Auf die neue Zeit.«
»Auf deine Sucht nach Blut?«
»Ja, denn sie gehört dazu.« Er nickte heftig. »Ich will es trinken, ich will es schmecken, ich will es …«
»Schon gut, schon gut. Ich glaube dir, und ich kann dir versprechen, dass sich alle deine Wünsche erfüllen werden.«
»Dann nimm mich!«
Der einsame Lauscher hatte alles gehört. Stephan konnte es kaum begreifen. Er wusste auch nicht, wie er sich verhalten sollte. Er war jemand, der dorthin ging, wo es wehtat, in diesem Fall jedoch war er vorsichtig. Er wollte und konnte den Mann nicht retten, ohne dass er dabei sein Leben riskierte.
Und so musste er alles zulassen. Aber er konnte zuschauen, wie es auch die Mitglieder der Killer-Sekte
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