184 - Das Kreuz der blinden Göttin
es immer geben.
»Ich will, daß du die Insel verläßt!« sagte Asmodis in schneidendem Befehlston.
»Damit du hier nach Belieben schalten und walten kannst!«
»Das tue ich bereits. Du bekommst von mir eine Chance, die du eigentlich nicht verdienst.«
»Was führst du gegen Numa im Schilde?«
»Sie wird mit ihren großen Plänen scheitern!« prophezeite der Fürst der Finsternis. »Ich werde ihre weiße Kraft mit dem Blut einer von mir verdorbenen Frau nicht brechen, sondern umkehren. Danach kann der große Pilgerstrom getrost einsetzen. Die Menschen werden beim Kreuz von Las Canadas nicht Glück, Heilung und Erlösung, sondern das Gegenteil finden. Das kannst du nicht verhindern, deshalb rate ich dir, meine Wege nicht zu kreuzen, sonst treffe ich dich an deiner empfindlichsten Stelle.«
Er meinte Vicky.
Sie war meine Achillesferse, das wußte er.
Er mußte aber auch wissen, daß ich mich nicht einschüchtern ließ. Auch nicht von ihm! Für mich gab es keine Alternative. Ich war entschlossen, Numa zu unterstützen und zu verteidigen.
Entweder ich gewann den bevorstehenden Kampf, oder ich verlor ihn. Auf keinen Fall würde ich weglaufen.
»Du kannst wählen, Tony Ballard!« sagte der Höllenfürst. »Leben für dich und Vicky Bonney - oder Tod für euch beide!«
Eine kleine grelle Stichflamme zischte plötzlich hoch, und das Telefonkabel verwandelte sich in eine Zündschnur, die das magische Feuer entlangschoß.
Bevor es den Hörer erreichte, ließ ich ihn fallen und sprang zurück. Der Hörer zerplatzte. Um meinen Kopf wäre es schlecht bestellt gewesen, wenn ich nicht so rasch reagiert hätte.
Vicky hatte von all dem nichts mitbekommen.
Jetzt drehte sie sich auf dem Balkon langsam um - und erschrak. Wahrscheinlich hatte das Ereignis von vorhin deutlich sichtbare Spuren in meinem Gesicht hinterlassen.
»Tony!« stieß sie beunruhigt hervor. »Was ist passiert?«
Ich schaute auf den Boden.
Der Telefonhörer war wieder ganz. Asmodis hatte mit mir gespielt. Der Höllenfürst verstand sich auf alle Arten von Terror. Kein Wunder. Was immer die Menschen an Verderbtem anstellten - es kam von ihm, denn er war der Inbegriff des Bösen.
Ich hob den Hörer auf und legte ihn auf die Gabel.
Vicky kam herein und wollte wissen, wer angerufen hatte. Es hatte keinen Sinn, es ihr zu verheimlichen. Ich fand es vernünftiger, sie zu informieren, damit sie wußte, womit wir ab jetzt rechnen mußten.
Das würde sie vorsichtig machen.
***
Vorläufig blieben die Leichen von Sally und Rock Cassavetes unentdeckt. Niemand schaute in den Aufzugschacht, und keiner betrat das Zimmer des Ehepaars.
Erst als am darauffolgenden Morgen zwei Techniker darangingen, den Fahrstuhl wieder in Gang zu bringen, fanden sie den toten Engländer.
Ein tragischer Unfall, wie es schien.
Dem Hotelmanager Manuel Sarrantes fiel die unangenehme Aufgabe zu, Rock Cassavetes’ Ehefrau zu informieren. Er gab Order, diesen zweiten Todesfall nach Möglichkeit vor den Gästen geheimzuhalten, damit sie das »Todeshotel« nicht Hals über Kopf verließen.
Seit 14 Jahren leitete er nun schon das
»Paradiso«, aber so etwas war noch nicht vorgekommen. In all der Zeit hatte es nur eine Herzattacke und zwei Selbstmordversuche mit Schlaftabletten ohne tödlichen Ausgang gegeben.
Und nun hatte der Tod in so kurzer Zeit gleich zweimal zugeschlagen.
Sarrantes richtete seine Krawatte und räusperte sich nervös, bevor er klopfte. Er nagte an der Unterlippe und legte sich zurecht, was er der Frau sagen würde, doch sie öffnete nicht.
Er klopfte noch einmal.
Vielleicht hatte Sally Cassavetes das erste Mal überhört. Als sie auch darauf nicht reagierte, versuchte er die Tür zu öffnen. Es war nicht abgeschlossen.
Langsam streckte er den Kopf ins Zimmer. »Mrs. Cassavetes? Mrs. Cassavetes, sind Sie da?«
Er gestattete sich - angesichts der tragischen Umstände - einzutreten. Augenblicke später sah er durch die offene Badezimmertür, daß Sally Cassavetes da war - und warum sie nicht geantwortet hatte.
Drei Tote!
Das brachte den sonst so besonnenen Mann gehörig aus der Fassung. War Rock Cassavetes in selbstmörderischer Absicht in den Aufzugschacht gesprungen, nachdem er seine Frau tot in der Badewanne aufgefunden hatte?
Wenn diese mysteriöse Todesserie in diesem Tempo weiterging, lebte in einigen Tagen kein einziger Gast mehr! durchzuckte es den Manager.
Er stürmte aus dem Zimmer, warf die Tür hinter sich zu und eilte in sein Büro, um die
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