1844 - Bei Ebbe kam der Tod
eines Toten, der aber nicht tot war.
Die beiden starrten sich an.
Becker wusste nicht, was er denken sollte. Er hätte auch kein Wort sagen können.
Schließlich fiel ihm ein, dass er mal Atem holen musste, was er auch tat, und schon ging es ihm etwas besser. In seinem Innern hatte sich eine Sperre gelockert, die auch seine Stimme betraf. Er konnte plötzlich wieder sprechen.
»Du, Hajo?«
Eine Antwort erhielt er nicht, aber er sah, dass er verstanden worden war, denn Hajo zuckte zusammen.
»Verdammt, wer oder was bist du?«, stotterte Heinz Becker. »Du bist nicht tot, aber du lebst auch nicht richtig. Scheiße, was soll ich da nur denken?«
Die Gestalt schwieg. Manchmal aber zuckte es im Gesicht, auf das sich Heinz Becker konzentrierte. Es hatte gelitten. Die Haut war blass und grünlich geworden, aber nicht die Augen. Sie enthielten eine Kälte, die Heinz schaudern ließ, und er konnte sich vorstellen, dass die andere Seite keine Gnade kannte.
Heinz Becker wusste auch, dass er sich den Spaziergang am Strand abschminken konnte. Das würde sein Cousin kaum zulassen. Der war gekommen, um abzurechnen.
»Hau ab. Wer bist du, verflucht? Du gehörst nicht mehr in diese Welt. Du bist verschwunden, und das sollst du auch bleiben. Ich will nicht, dass du zurückkehrst.«
Er konnte reden, was er wollte, eine Reaktion erlebte er nicht. Es gab keine Antwort von der anderen Seite.
Dafür stand der Rückkehrer da, als wollte er keinen an sich vorbei lassen. Aber Heinz wollte den Weg nehmen und nicht den zum Strand hin. Er wollte so schnell wie möglich zu seinem Porsche und damit verschwinden.
Der Zombie zuckte. Dann schlug er zu. Er hatte seine Hand zur Faust geballt und zielte auf das Gesicht seines Cousins. Er hätte wohl auch getroffen, wäre er auf dem weichen Boden nicht ein wenig nach rechts eingesackt.
Und deshalb ging der Schlag vorbei.
Heinz Becker sah, dass der Zombie stolperte und nach vorn kippte.
Genau da handelte er. Er rammte beide Fäuste nach vorn, traf die Brust der Gestalt und stieß sie zurück. Die riss die Arme hoch, trat zu, war aber zu weit zur Seite geglitten, und der Fuß geriet in ein Loch. Dieser Tritt ins fast Leere riss ihn von den Beinen.
Heinz schaute zu, wie die Gestalt plötzlich am Boden lag und dabei noch etwas nach vorn gerutscht war und sich dort befand, wo der Abhang zum Strand begann.
Und da rollte sie hinab.
Jetzt gab es für Heinz Becker nur noch ein Gedanke. Weg! Flucht!
Er schaute auch nicht hin, wie weit sein Cousin gerollt war oder noch immer rollte. Er musste zu seinem Auto, und er fing an zu rennen.
Leider war das Wort rennen nicht der richtige Ausdruck, denn auf dem Sandboden war es schwer, schnell zu laufen und dabei das Gleichgewicht zu bewahren. Hinzu kam, dass die Wege nach unten wie trockene schmale Bachläufe durch die Landschaft führten und später flacher wurden. Dann war schon bald der Asphalt erreicht.
Und sein Cousin? Wo steckte er? Hatte er die Verfolgung aufgenommen oder aufgegeben? Das wollte der Flüchtende genau wissen und drehte sich während des Laufens um.
Es war ein Fehler. Das merkte Heinz in den nächsten Sekunden, denn er streifte den rechten Rand des Wegs mit seinen Knöcheln.
Er verlor das Gleichgewicht und auch die Übersicht. Er schwankte, wollte sich noch fangen, was er nicht schaffte, und so kippte er zur Seite.
Er landete im Dünengras.
Von einem Schock konnte man bei ihm nicht reden. Trotzdem blieb er länger liegen. Er spürte, dass er zitterte. Die Flucht hatte ihn schon angestrengt. Er atmete schwer, wäre am liebsten noch liegen geblieben, aber er wusste, dass dies nicht ging. Ihm war nicht bekannt, wie sein Cousin reagiert hatte. Es konnte durchaus sein, dass er die Verfolgung aufgenommen hatte.
Nach weiteren Sekunden raffte er sich auf. Er atmete tief ein und schaute zurück. Im ersten Augenblick sah er nicht viel, weil die Umgebung vor seinen Augen verschwamm. Er wischte über sein Gesicht. Es wurde besser. Er blickte den Weg zurück und wollte schon aufatmen, als er oben auf der Düne eine Gestalt entdeckte.
Im ersten Moment war nicht festzustellen, ob es sich um einen Mann oder eine Frau handelte.
Er lauschte seinem Atem, der sehr hektisch aus seinem offenen Mund drang. Dabei spürte er den Druck in seinen Augen. Er fluchte leise, schüttelte den Kopf und schaute den Weg erneut zurück.
Da sah er ihn.
Und er sah ihn jetzt besser.
Er hatte die Verfolgung aufgenommen. Er ging schwankend, und Heinz Becker sah
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