1846 - Lockvogel Larissa
sich unter ihrem Nachnamen hier einquartiert haben.«
Suko drehte sich auf der Stelle um. Jetzt sah er die vielen Blicke, die auf uns gerichtet waren. Er sagte: »Wir suchen jemanden.«
Ein Junge trat vor. Bei ihm fielen die abstehenden Ohren auf. »Wen sucht ihr denn?«
»Eine Frau.«
»Aha.«
»Sie wohnt hier«, sagte ich.
»Wie heißt sie denn?«
»Larissa.«
Der Junge zog die Nase hoch. Dann drehte er sich zu seinen Freunden hin um.
»Habt ihr gehört? Die suchen eine Larissa.«
»Ach du Scheiße.«
»Ja, kennt ihr sie?«
»Das kommt darauf an.« Ein Lachen folgte.
Ich wusste, worauf das hinauslief. Umsonst würden sie uns nichts sagen. Sie brauchten Geld, und als sie mich anschauten, sahen die Pupillen aus wie Geldstücke.
Suko fragte: »Du kennst diese Frau?«
»Hier wohnen viele Frauen.«
»Heißen die auch Larissa?«
»Keine Ahnung.«
»Aber du weißt, wer Larissa heißt.«
»Könnte sein.«
»Dann sag es uns, bitte.«
Der Junge schüttelte den Kopf. »Es hat alles seinen Preis«, erklärte er. »Wie viel ist euch eine Auskunft wert?«
»Keine Ahnung. Fünf Pfund?«
Ich wusste, dass es zur großen Lache kommen würde. Das war jetzt der Fall.
»Das ist doch nicht dein Ernst.«
Diesmal mischte ich mich ein. »Darüber kann man reden, mein Freund.«
Er tat einen Schritt auf mich zu. »An was hast du denn gedacht?«
Ich wollte nicht kleinlich sein und sagte: »Zehn Pfund. Das ist eine Steigerung von hundert Prozent. Das ist doch was.«
»Vergiss es. Das ist doch kein Geld. Auch wir haben unsere Preise.«
»Dann sag sie.«
»Weil ihr es seid, zwanzig Pfund.«
»Das ist nicht wenig.«
»Ihr bekommt auch was dafür. Sonst könnt ihr euch blutige Finger holen. Das Versteck ist immer gut bewacht.«
»Ach, von wem denn?«
»Das haben wir auch schon mal gemacht.«
»Und warum wird es bewacht?«
»Larissa lässt nicht jeden Besucher rein. Und wir müssen ihn zuerst begutachten. Erst wenn wir ihr das Okay geben, dann öffnet sie die Tür.«
»Gut. Aber ich möchte nicht, dass wir angemeldet werden.«
»Gut, das kostet extra.«
»Wie viel?«
»Einen Fünfer.«
»Okay.«
Er streckte mir die Handfläche entgegen.
Ich holte die Scheine hervor und legte sie ihm in die Kralle. Er grinste, weil er wusste, dass er ein gutes Geschäft gemacht hatte. Wir aber wollten so schnell wie möglich zu dieser Larissa, und wir hofften, dass sie auch im Haus war.
»Also, wo müssen wir hin?«
»Fahrt oder geht in die vierte.«
»Und weiter?«
»Da steht der Name an der Tür. Die ist grün gestrichen.«
»Danke.«
»Was wollt ihr denn von ihr? Ihr seid doch keine Kunden.«
»Das ist unsere Sache.«
»Bullen, wie?«
»Haben wir jeder vier Beine?«, fragte Suko.
»Nein.«
»Alles klar.«
Wir betraten das Haus, in dem es nicht besonders gut roch. Es gab einen Lift, aber auch eine Treppe, und für die entschieden wir uns. Suko und ich kommen oft in London herum, wir sehen auch viel, und wir mussten uns beide eingestehen, dass wir schon schlimmere Häuser erlebt hatten. Das hier war noch relativ neu, nicht verdreckt, nicht von innen beschmiert, denn wer die Preise hier bezahlen konnte, hatte zumindest einen guten Job.
Wir erreichten die vierte Etage und schauten uns im Flur um. Hier reihte sich rechts und links Tür an Tür. Mal waren die grün lackiert, mal braun.
Larissas Wohnung sollte hinter einer grünen Tür liegen. Wir waren gespannt und gingen den Flur entlang, wobei wir die grünen Türen im Blick behielten.
Wir sahen auch die Namensschilder, aber eine Larissa entdeckten wir nicht. Es gab auch keinen Bewohner, den wir hätten fragen können.
Und dann sahen wir doch die grüne Tür, und wir lasen auch den Namen Larissa. Einen Klingelknopf gab es auch.
»Du oder ich?«, fragte Suko.
»Mach du es.«
»Wie du willst.« Suko schellte. Wir hörten hinter der Tür die Glocke und richteten uns darauf ein, dass Larissa die Tür öffnen würde. Das tat sie auch.
Von innen her wurde die Tür aufgerissen, wir sahen eine Frau und hörten ihre Stimme, die aber nicht uns galt, sondern der Person, mit der sie telefonierte. Das Gerät hatte sie zwischen Schulter und Wange eingeklemmt.
War das Larissa?
Beide hatten wir uns die Frage gestellt, denn wir schauten uns entsprechend an. Die Frau war an die fünfzig Jahre, hatte die Haare hellblond gefärbt und trug einen Kittel mit dem Aufdruck einer bekannten Wäscherei in London.
»Ja, ja, ich werde das alles in die Wege leiten. Ich fange gleich
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