1847 - Schiff der verlorenen Seelen
zu flackern und einen Moment später drehte der Flieger ab, genau, wie es abgesprochen war.
Ich merkte jetzt, dass das Schiff nicht ruhig lag. Es schwankte hin und her, wurde mal zur Seite gedrückt, richtete sich wieder auf, aber das war alles nicht so schlimm. Man konnte es auch als Nicht-Seemann an Deck aushalten.
Zwei Männer liefen auf uns zu.
Einer von ihnen streckte mir die Hand entgegen. »Ich bin Kapitän Arne Rundberg«, stellte er sich vor.
»John Sinclair.«
»Ha, das habe ich mir fast gedacht.« Er lächelte breit. »Und wie geht es weiter?«
»Wie sieht es aus mit den Ghouls?«
»Es gibt sie.«
»Gut. Auch hier an Bord?«
»Klar. Mein Steuermann und ich haben zwei dieser Wesen vernichten können.«
»Wie denn?«
»Wir haben so lange auf sie eingeschlagen, bis sie fast zu Brei geworden sind. Immer gegen die Köpfe.«
»Und wo ist das passiert?
»Unter Deck. Sie können es sich später ansehen.«
»Das machen wir auch. Jetzt eine andere Frage. Wie viele dieser schleimigen Leichenfresser gibt es noch hier?«
»Vier.«
»Gut. Und wie sind sie überhaupt an Bord gekommen?«
»Es war ein Versehen. Mein Steuermann wollte jemandem einen Gefallen tun und hat sie an Bord geschmuggelt.«
Ich deutete auf den Mann in der Nähe. »Ist das der Steuermann?«
»Ja, das ist Erik.«
»Und weiter?«
»Wie meinen Sie?«
»Gibt es noch mehr Mitglieder der Besatzung?«
»Ja, die gibt es.« Er nickte. »Es sind noch vier weitere da. Aber fragen Sie mich nicht, wo sie sich herumtreiben. Ich habe sie in der letzten Zeit nicht gesehen. Könnte ja sein, dass sie sich versteckt halten.«
Meine nächste Frage lautete: »Hat es Tote gegeben, die als Nahrung für die Ghouls dienten?«
»Nein, bisher nicht.« Dann schränkte der Mann sein. »Jedenfalls habe ich bisher keinen Toten gefunden.«
Suko war dabei, seine Peitsche griffbereit zu machen und sie in den Gürtel zu stecken. Der Kapitän und sein Steuermann beobachteten ihn dabei. Sie sagten aber nichts. Dafür hörten sie Sukos Stimme.
»Ich denke, wir sollten uns jetzt mal umschauen.«
Dafür war ich auch. Aber erstens kommt es anders und zweites, als man denkt.
Mein Handy spielte seine Melodie ab. Ich sah die Blicke der Umstehenden auf mich gerichtet, und als ich sah, wer da anrief, meldete ich mich auch.
»Hallo, Jane.«
»Okay, John, ich habe dich erwischt. Hätte ich beinahe nicht mehr mit gerechnet.«
»Ja, ich bin noch da.«
»Und wo?«
»Auf einem Schiff, zwischen Dänemark und England.«
»Nein, das ist …«
»Doch, Jane. Und ich habe nicht viel Zeit. Wir müssen losziehen.«
»Alles klar. Mir geht es um Larissa.«
»Inwiefern?«
»Ich weiß nicht, wo sie ist. Sie ist tatsächlich verschwunden.«
»Hat sie sich denn bei dir gemeldet?«
»Nein.«
»Dann hat sie sich vielleicht zurückgezogen und anderen das Feld überlassen.«
»Ach? Meinst du die Ghouls?«
»Zum Beispiel.«
»Welchen denn?«
»Den Leichenfressern, die sich hier auf dem Schiff befinden. Es sind vier. Sechs waren es mal, und diese Bande wollte Larissa zu sich schaffen lassen. Ich denke, dass sie sie in London abgeholt hätte.«
»Und wo genau?«
»Im Hafen.«
»Dann sag doch mal die genaue Stelle.« Jane hörte sich plötzlich wild entschlossen an. Jetzt sah sie die Chance, dieser Person auf die Schliche zu kommen.
Ich wusste nicht, wo das Schiff anlegen würde. Auch der Kapitän musste passen. Er hätte den Ort bei der Einfahrt mitgeteilt bekommen.
Das sagte ich Jane Collins.
»Schade«, sagte sie. »Ich hätte mir das anders gewünscht.«
»Kann man nichts machen. Auf jeden Fall weißt du, wo wir sind. Ist das okay?«
»Muss ja.«
»Dann bis später.«
»Ach so, noch etwas, John.«
»Ja, was denn?«
»Wann kann ich dich denn hier in London erwarten?«
»Die genaue Uhrzeit weiß ich auch nicht. Im Moment fahren wir nicht. Wir müssen den Segler von den lebenden Leichen befreien. Das ist erst mal das Allerwichtigste.«
»Gut. Und weiter?«
»Später, Jane. Alles später.«
Viel Zeit hatten wir nicht mehr. Ich wollte die Sache hinter mich bringen und unterbrach die Verbindung.
Suko fragte: »Können wir?«
»Und ob.«
Wir wollten gehen. Der Kapitän und sein Steuermann hatten sich bereits in Bewegung gesetzt, als wir über unseren Köpfen einen Schrei hörten. Unsere Blicke schossen in die Höhe, und da sahen wir, was geschehen war.
An einem Seil der Takelage hing eine Gestalt. Sie hielt sich nur mit einer Hand fest, und die hatte sie um ein
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