1849 - Der Unheilbringer
tun?«, fragte Timmy leise.
»Das ist einfach. Du musst die Augen weit offen halten, dann wird sich alles richten. Scheue dich nicht, ein Gebet zu sprechen, wenn er dir zu nahe kommt.«
»Kann ich ihn so vernichten?«
»Nein!«, lautete die Antwort. »Du kannst aber erreichen, dass er zunächst Abstand davon nimmt, seine Zähne in deinen Hals zu schlagen. Es ist ihm egal, von wem er das Blut trinkt. Da spielt es keine Rolle, ob es Männer, Frauen oder Kinder sind.«
»Ich habe verstanden. Aber warum gerade ich? Warum soll es gerade mich treffen? Es feiern genügend andere Menschen Halloween.«
»Ich werde versuchen, auch die anderen Menschen zu warnen, aber die meisten hören nicht auf uns Bewohner der anderen Welt. Aber du weißt Bescheid.«
»Und ob!«, flüsterte Timmy. »Ich habe ihn auch gesehen, und zwar in meinen Träumen.«
»Das muss schrecklich gewesen sein.«
»Ja, sehr schlimm.«
»Dann ist er schon unterwegs. Er wird versuchen, sich in das Innere eines Menschen zu stehlen. Er wird sie zu sich holen und sie gefügig machen. Er ist wieder da. Und deshalb wirst du aufpassen müssen.«
»Das mache ich«, flüsterte Timmy Burke, bevor er fragte: »Was ist denn mit dir? Bist du nicht auch noch da?«
»Doch, das bin ich. Aber ich kann nicht überall sein. Das musst du einsehen.«
»Obwohl du mein persönlicher Schutzengel bist?«
Es war eine Frage, auf die Timmy gern eine Antwort erhalten hätte. Das trat nicht ein, denn sein Besucher hatte seine eigenen Regeln, und danach handelte er auch.
Er war weg!
Von einem Augenblick zum anderen war nichts mehr von ihm zu sehen. Timmy Burke befand sich wieder allein in seinem Zimmer und schaute ins Leere.
Erst jetzt merkte er, dass er völlig durchgeschwitzt war. Auch das Laken, auf dem er lag, war feucht geworden. Die Begegnung hatte ihn mitgenommen.
Echt? Oder war sie ein Traum gewesen?
Er hatte keine Ahnung.
Was war echt und was nicht?
Er wusste es nicht. Er war durcheinander. Den schlimmen Traum hatte er gehabt, aber dann war die Begegnung mit dem Engel erfolgt, und damit hatte er seine Probleme.
War sie echt gewesen? Oder hatte er nur einen Traum erlebt?
Alles konnte möglich sein. Nichts war mehr normal für ihn. Er war dreizehn Jahre alt. Ein Erwachsener hätte so etwas auch kaum verkraftet. Aber er war noch ein Kind oder zumindest ein Jugendlicher. Manchmal führte er auch das Wort, wenn er und die Clique zusammen waren, aber das war auch alles. Allein war er nicht so mutig.
Und jetzt hatte es dieses Erlebnis gegeben, an das er kaum glauben konnte.
Schlaf würde er keinen mehr finden. Hellwach saß er aufrecht im Bett und fragte sich, was er seinen Eltern sagen sollte.
Am besten nichts. Sie würden ihm kein Wort glauben und nur den Kopf schütteln. In der nächsten Nacht war Halloween. Dann waren sie wieder unterwegs, die unheimlichen Gestalten, die den Menschen den großen Schrecken brachten.
Zuerst die kleinen Kinder, die noch bei Helligkeit durch den Ort liefen. Später waren es dann die Älteren, die alles unsicher machten. Im Laufe der Zeit war es immer schlimmer und extremer geworden, und Timmy Burke wusste auch, dass es zu Halloween so manche Gewalttat gegeben hatte. Daran war er nicht beteiligt. Er hatte immer nur Spaß haben wollen und lehnte Gewalt ab.
Aber wo hörte der Spaß auf, und wo fing der Ernst an? Die Grenzen waren fließender geworden.
Timmy Burke hatte sich auf Halloween gefreut, jetzt aber war das Gefühl verschwunden. Da war ein neues in ihm hochgestiegen, und das hatte auch einen Namen.
Es fiel ihm schwer, dies zuzugeben, aber er bekam es nicht aus dem Kopf.
Es war die Angst …
***
»Und, Mister Sinclair? Wie schmeckt Ihnen der Tee?«
Ich lächelte den jungen Pfarrer an. »Sehr gut, muss ich sagen.«
»Freut mich.«
»Sie haben ihn veredelt, wie?«
Alan Burke lachte. »Gratuliere, Sir. Sie haben einen guten Geschmack.«
»Den Rum schmeckt man immer.«
Der Pfarrer und ich standen auf dem schmalen Weg fast an seinem Ende, denn hier gab es das zu sehen, weshalb mich Alan Burke eigentlich geholt hatte.
Bewohner hatten ein offenes Grab gefunden. Das wäre nicht besonders schlimm gewesen, hätte sich das Grab auf einem Friedhof befunden, doch das war nicht der Fall.
Dieses Grab lag außerhalb. Auf dem flachen Ende eines Hügels, den wir hochgestiegen waren, um uns den Fund anzusehen. Es war recht groß, und es war geöffnet worden.
Und es hatte jemand in diesem Grab gelegen. Seit langen Jahren hatten
Weitere Kostenlose Bücher