1853 - Im Zeichen von Thoregon
Schule gelernt, daß sie nicht mehr das war, was sie einmal dargestellt hatte. Dennoch glaubte sie daran, auch dort etwas Großartiges vorzufinden.
Die Realität war mehr als ernüchternd.
Diesmal ließ sie ihr Raumschiff in einem weiten Orbit um den einzigen Planeten des Galornensterns zurück und landete mit fünf Adlaten in einem ortungs- und sichtgetarnten Beiboot am Rand der Hochebene, auf der sich die fünf Teile der Metropole erhoben. Sie stieg allein aus und ließ sich vom Gravoaggregat ihres gelben Raumanzugs auf die erste Plattform hinauftragen. Unbemerkt betrat sie den Boden von Süd-DREI, und was sie dort sah, ließ sie beinahe an ihrem Verstand zweifeln.
Das Leben pulsierte zwar wie zu der Zeit eines Maem Nagun, so, wie sie es noch immer klar vor Augen hatte. Doch statt der Galornen sah sie hier Angehörige aller bekannten - und vieler unbekannter - Völker Plantagoos, die um jeden Quadratmeter Lebensraum kämpften. Es schneite heftig.
Wer sich in ehemals stolze Häuser zurückziehen konnte, war glücklich. Die meisten Bewohner dieses Teiles von Gaalo aber waren dazu verurteilt, in Ruinen und im Freien ihr karges Dasein zu fristen. Überall stank es nach Unrat und Armut, überall lastete der Hauch des Untergangs.
Mindestens dieser Teil Gaalos war zur Hölle geworden, zur Heimstatt der Hoffnungslosen - aber wie hatte das geschehen können?
Kaif hoffte, bessere Bilder zu sehen, bis sie alle vier unteren Stadtteile aufgesucht hatte. Es war überall das gleiche Szenario: Qual und Verfall.
Schließlich ließ sie sich nach HerzFÜNF hinauftragen. Auf ebenso Schlimmes vorbereitet, stellte sie staunend fest, daß hier alles noch fast so war wie in dem Bericht Maem Naguns. Die stolzen Häuser der hier einmal beheimateten Galornen waren noch wie am ersten Tag erhalten, und im Zentrum lagen das Feld der Schriften - und der weite Schacht des Drachen.
Jedenfalls war das ihr erster Eindruck.
Dann, als sie sich dem Schacht langsam näherte, erkannte sie ihren großen Irrtum.
In Naguns Aufzeichnungen war der Schacht dunkel gewesen, auch noch Jahrzehnte nach seiner Inbetriebnahme.
Jetzt stieg aus ihm das orangefarbene Leuchten, wie sie es vom Drachen in der Stadt der Kinder her kannte. Nur war es hier viel intensiver, und die Ausstrahlung, die von dem Schacht ausging, war noch bedrohlicher, um ein vielfaches stärker.
Der erste Schock saß tief. Sie taumelte zurück. Als sich Kaif weit genug entfernt hatte und wieder konzentriert denken konnte, glaubte sie, den Grund zu kennen. Muum Dugesms Ausführungen hatten ihr den Hinweis gegeben.
Ihr Lehrmeister hatte gesagt, daß die Kapazität eines Drachen nach einigen Jahrtausenden erschöpft sei und die Galornen deswegen ihre Welt verlassen und sich eine neue suchen mußten, um dort einen neuen Drachen anzulegen.
Warum das so war, weshalb es immer nur einen Drachen geben konnte, das hatte sie bis heute nicht begriffen. Aber sie spürte dafür um so mehr, wie übervoll der Drache von Galorn mit dem in ihm gespeicherten Aggressionspotential war. Es schien geradewegs aus ihm herausquillen, sich einen Weg nach draußen suchen - explodieren zu wollen!
Kaif Chiriatha floh. Sie konnte die nach allen Seiten ausstrahlende Aggressivität nicht ertragen. Sie kehrte der Stadt Gaalo und dem Herkunftsplaneten Galorn den Rücken und kam erst wieder richtig zu sich, als sie sich mit der METHARE auf dem Heimweg in die Sicherheit der Pentrischen Wolke befand.
Wenn sie in dieser Zeit Schlaf fand, dann träumte sie nicht, wie in so vielen Nächten vorher, von der großen Harmonie aller intelligenzbegabten Völker, sondern vom Drachen.
Sie hatte mit ihm gekämpft, damals in der Stadt der Kinder, als sie die Reife erreicht hatte, um in die Welt der Erwachsenen überzuwechseln. Sie wäre dabei fast gestorben, als er ihr alles entriß, was sie besaß: ihren Haß auf das gesellschaftliche System der Galornen und auf diejenigen, mit denen sie es bisher zu tun gehabt hatte - bis auf Dauw, ihre geliebte Freundin.
Und Dauw hatte ihr, auch wenn sie längst tot war, den Weg ins neue Leben gezeigt, sie und Muum Dugesm, dem sie von Ce Rhioton anvertraut worden war.
An ihnen richtete Kaif sich auch jetzt wieder auf - an der Erinnerung an die so tragisch verstorbene Freundin und der Sorge um ihren großen Lehrmeister. In gleichem Maße fieberte sie dem Wiedersehen mit Lopt entgegen.
Sie ahnte noch nicht, daß es keines mehr geben würde.
*
Er habe einen Unfall gehabt, war das
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