187 - Die Wolfshexe
schlecht. Vielleicht würde ihm der Hausarzt den Magen auspumpen müssen.
Zuerst wollte Shirley Everett den Arzt anrufen und anschließend die Polizei, damit sie sich um Sally Reynolds kümmerte. Dieses Weib war eine gemeine Verbrecherin, noch schlimmer als Hyram Oaks.
Sie griff nach dem Hörer, doch ihr Mann ließ nicht zu, daß sie telefonierte. Er torkelte wie ein Betrunkener auf sie zu, stieß sie beiseite, packte das Telefon und schleuderte es mit solcher Wucht gegen die Wand, daß es zerbrach.
Dann starrte er sie mit blutunterlaufenen Augen an.
Das Weiße seiner Augäpfel änderte ebenfalls die Farbe, wurde rot.
Robert Everett bekam glühende Augen !
Sein Unterkiefer schob sich vor, seine unteren Zähne begannen zu wachsen -vor allem zwei. Die wurden erschreckend lang, nahmen die Form von riesigen Hauern an.
Shirley Everett traute ihren Augen nicht. Das konnte doch unmöglich wahr sein! Robert verwandelte sich in ein grauenerregendes Ungeheuer!
Seine Ohren wurden spitz, der Schädel kahl, und durch die Kopfhaut schraubten sich gedrehte Hörner. Er wurde Nalphegar, dem Höllen wesen, immer ähnlicher, aber das wußte Shirley Everett nicht.
Die entsetzte Frau zweifelte an ihrem Verstand.
Robert… Das war nicht mehr ihr Robert, der Mann, mit dem sie fast 40 Jahre verheiratet war. Seine Hände wurden zu furchterregenden Krallenklauen - und was war das auf seinem Rücken? Himmel, das waren riesige Fledermausflügel!
Verstört schüttelte Shirley Everett den Kopf. »Das… das ist nicht wahr!« stammelte sie. »Ich bin übergeschnappt! Robert, sag mir, daß ich eine schreckliche Halluzination habe!«
Ein bösartiges Knurren entrang sich seiner Kehle, während er sich der bedauernswerten Frau, die mehr und mehr in Panik geriet, mit schweren Schritten näherte.
Er hatte beschlossen, daß sie sterben mußte.
***
Sally Reynolds paßte nicht in dieses verwahrloste, heruntergekommene, schmutzige Haus. Was wollte sie hier? Als ich auf die Tür zuging, war ich ein wenig nervös.
Gleich würde ich dem Mädchen gegenüberstehen, das jemand angeblich ermordet hatte. Ich war auf Sallys Antworten verdammt neugierig.
Entschlossen klopfte ich. Es dauerte nur wenige Augenblicke, bis sich die Tür öffnete und ich die schöne Journalistin wiedersah.
»Tony«, sagte sie überrascht und erfreut.
»Da staunen Sie, was?«
»Allerdings.«
»Möchten Sie wissen, wie ich Sie gefunden habe?«
»Ja, das interessiert mich sogar sehr. Aber kommen Sie doch erst einmal herein.«
»Ist das Ihr Haus?« fragte ich, während ich eintrat.
»Ja, es ist nicht gerade ein Palast, aber man kann etwas daraus machen, wenn man das Herz dazu hat, eine Menge Kleingeld für die Renovierung auszugeben. Dafür war der Anschaffungspreis lächerlich gering.«
Sie führte mich ins Wohnzimmer. Die Farbe des Staubes herrschte hier vor. Nahezu alles war mit einem einheitlichen tristen Grau überzogen.
»Was machen Sie mit Ihrer Wohnung?« wollte ich wissen. »Geben Sie sie auf?«
»Diese doppelte finanzielle Belastung werde ich mir nicht antun«, antwortete Sally.
Ich erzählte ihr, wie es mir gelungen war, sie zu finden. Sie sagte, es freue sie, mich wiederzusehen. Ich erwiderte: »Unsere letzte Begegnung hatte ein offenes Ende.«
Sie nickte. »Ja, eigentlich sollte ich Ihnen deswegen böse sein.«
»Wieso?«
»Das fragen Sie?« gab Sally zurück. »Wir nahmen den Drink, Sie sagten, Sie müßten kurz raus - und dann kamen Sie nicht wieder.«
»Ich kam wieder, aber erst etwas später.«
»Wo waren Sie?«
»Ich hatte einen Blackout, kam am Ufer der Themse zu mir. Wie ich dorthin kam, weiß ich nicht. Ich dachte, Sie hätten mir etwas in meinen Whisky getan, deshalb kehrte ich in Ihre Wohnung zurück, aber Sie waren nicht mehr da. Und nun sucht mich die Polizei wegen Mordes.«
Sally sah mich bestürzt an. »Sie haben jemanden umgebracht? Das glaube ich nicht, Tony.«
»Es gibt eine Videoaufzeichnung von der Tat.«
»Wer war Ihr Opfer?«
»Sie«, sagte ich hart.
Sally riß entgeistert die Augen auf. »Sie scherzen. Sehe ich aus, als wäre ich tot?«
»War mein Whisky präpariert, Sally?«
»Natürlich nicht.« Sie war jetzt ärgerlich.
»Gibt es jemanden, der Sie unter Druck setzt?«
»Nein.« Sally zog die Augenbrauen unwillig zusammen. »Tony, Sie wissen, daß Sie mir sehr sympathisch sind, aber Ihre Fragen gefallen mir nicht, das muß ich schon sagen.«
»Es übt also niemand Druck auf Sie aus, zwingt Sie, Dinge zu tun, für
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