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188 - Der lebende Nebel

188 - Der lebende Nebel

Titel: 188 - Der lebende Nebel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ronald M. Hahn
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Gondel machte einen Satz. Rulfans Knie knickten ein.
    Bevor er das Gleichgewicht verlor, erwischte er den Rahmen des eingeschlagenen Fensters. Victorius fiel auf den Bauch.
    Seine Stirn schlug gegen ein Tischbein. Er klatschte auf den Boden und blieb liegen.
    Rulfan schaute hinaus: Sie flogen dicht über der Insel dahin.
    Palmenwipfel schlugen gegen an die Unterseite der Gondel. Es konnte nicht mehr lange dauern, dann würden sie irgendwo zerschellen.
    Rulfan suchte verzweifelt nach einem Ausweg. Wenn es ihm gelänge, das Steuer herumzureißen… Dummerweise ballte sich genau dort der größte Haufen der tückischen Biester.
    Dann sah er das Fässchen mit dem roten Schmierfett für die nun jämmerlich schnaufende Dampfmaschine, und ihm kam eine Idee.
    Rulfan schob seine Hände in das Fett, schloss Augen und Mund und schmierte es sich ins Gesicht und auf den Hals.
    Beim nächsten Schlag, der die Gondel erschütterte, stand er, die Augen zu Schlitzen verengt, den Mund geschlossen, mitten im Insektenschwarm am Ruder. Leider konnte er es nicht lange genug halten, denn schon machte ihm der nächste Schlag gegen den Gondelboden klar, dass sie schon zu tief gesunken waren.
    Jetzt gab es nur noch eine Möglichkeit, Höhe zu gewinnen: Er musste Ballast abwerfen. Doch dazu fehlte ihm die Zeit.
    KRACK! Die Gondel schlug gegen das nächste Hindernis.
    Rulfans fettbeschmierte Hände rutschten vom Ruder ab. Er verlor das Gleichgewicht, fiel hin und schlug mit der Nase gegen die Gondelwand.
    ***
    Es war kaum zu glauben, dass eine Nase so schmerzen konnte.
    Eins hatte sich jedoch verändert: Als Rulfan die Augen aufschlug, war das grässliche Summen verstummt.
    Der Gondelboden war wie geleckt. Die Mücken hatten jedes Molekül der ausgelaufenen Flüssigkeit, die sie offenbar angelockt hatte, getilgt, und waren dann verschwunden.
    Trotzdem schaute sich Rulfan erst einmal vorsichtig um. Er war schon zu oft gestochen worden, um zu vergessen, dass nichts die Tücke von Mücken überbot.
    Trotz seiner pulsierenden Nase hielt er es für angebracht, zuerst seinen Freund und Gefährten aus der hin und her schaukelnden Gondel zu schaffen.
    Rulfan biss die Zähne zusammen und bemühte sich, das Stechen in seinem Schädel zu ignorieren. Er kroch zu Victorius unter den Kartentisch, packte dessen Arme und schleifte ihn zur Luke.
    Als er sie geöffnet hatte, stellte er fest, dass sie Glück im Unglück hatten: Die Gondel schaukelte nur etwa eine Handbreit über dem Boden.
    Dann fiel Rulfan ein, wie sehr sein Partner an seiner Fledermaus hing. Er wollte sich nicht nachsagen lassen, nichts für Titana getan zu haben. Also kroch er zurück und fand den erschlafften Leib unter dem Tisch. Mit verengten Augen konnte er erkennen, dass sich der winzige Brustkorb hob und senkte; sie lebte also noch. Er packte Titana mit zwei Fingern im Nacken und trug sie zu Victorius. Dann schaffte er beide aus der Gondel und schaute zum Ballon hinauf.
    Ihm stockte der Atem. Der Mückenschwarm war nicht verschwunden. Er bedeckte den Ballonkörper ganz und gar.
    Von der rotblauen Hülle war fast nichts mehr zu erkennen. Die Mücken verhielten sich allerdings ruhig. Fast schien es, als würden sie schlafen.
    Rulfan hielt es für angebracht, die Wolke nicht zu provozieren, und zog Victorius fast dreißig Meter weit in relative Sicherheit.
    Anschließend schaute er sich die Gegend an, in der sie abgestürzt waren. Die Gondel hatte einige Palmwipfel abgerissen und war auf einer Lichtung heruntergegangen, die gerade groß genug war, um sie aufzunehmen. Da das Feuer im Ofen fast erloschen war, begann die Luft im Kessel zu erkalten.
    Der Ballon erschlaffte. In einigen Stunden würde er in sich zusammenfallen.
    Hoffentlich besannen sich die Mücken dann darauf, dass sie zuvor auf einer anderen Insel gewesen waren, und traten den Heimweg an. Auf alle Fälle wollte er nicht mehr hier sein, wenn sie erwachten.
    Rulfan legte die komatöse Fledermaus auf Victorius’
    Brustkorb. Das Gesicht des Prinzen war übel zerstochen und schwoll allmählich an. So wie er momentan aussah, hätte ihm eine Frau wie Liwán sicher keinen zweiten Blick geschenkt.
    Vielleicht konnte er die Schwellungen lindern, wenn er die Stiche mit kaltem Wasser benetzte. Rulfan spitzte die Ohren: Beim Aussteigen hatte er ein leises Gurgeln vernommen.
    Richtig, da war es wieder; weit entfernt, aber eindeutig Wasser, das über Steine sprang.
    Wenige Minuten später fand er einen zwei Meter breiten Bach, der in der

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