188 - Der Rattenkönig
wiederholten - bis auf wenige Abweichungen -, was wir in der Nacht getan hatten.
Erfolg hatten wir damit leider wieder keinen.
***
»Leg ihn um!« verlangte die Stimme am Telefon gnadenlos.
»Du bist der Boß«, antwortete Jesse Dickinson. Seine Stimme war so heiser, daß man versucht war, sich für ihn zu räuspern, wenn man ihn reden hörte.
Der Boß hieß Norman Carter und war nicht gut auf Dickinson zu sprechen, weil diesem in letzter Zeit einige Schnitzer passiert waren.
Dickinson hatte einen Erfolg dringend nötig, aber es behagte ihm nicht, daß der Boß ihn ausgerechnet auf Dexter Conrad ansetzte, denn er hatte jahrelang mit ihm zusammengearbeitet. Dexter war fast wie ein Bruder für ihn.
Dexter, dieser blöde Hund. Wie hatte er das nur tun können? Zuerst hatte er Norman Carters Freundin vernascht, und dann hatte er den Boß, was noch schwerer wog, um eine beträchtliche Summe betrogen.
Daß ihm das den Hals brechen würde, hätte ihm Jesse Dickinson prophezeien können. Aber er hatte davon erst hinterher erfahren - und gehört hätte Dexter Conrad sowieso nicht auf ihn.
Dexter war ein sturer Kerl, der immer mit dem Kopf durch die Wand wollte. Was er sich vornahm, führte er auch aus, davon ließ er sich nicht abbringen.
Nun war ihm diese Sturheit zum Verhängnis geworden. Der Boß hatte ihn soeben zum Tode verurteilt. Und ausgerechnet Jesse Dickinson sollte das Urteil vollstrecken.
Erstens bot ihm Norman Carter damit die Gelegenheit zu beweisen, daß er in letzter Zeit nur Pech gehabt hatte und er in Wirklichkeit viel besser war, als es die erzielten Ergebnisse vermuten ließen, und zweitens wollte Carter Loyalität sehen. Was war Jesse Dickinson mehr wert? Die Freundschaft mit Dexter Conrad oder ein ungetrübtes Verhältnis zum Boß?
Dickinson hustete vernehmlich.
»Bist du krank?« fragte Norman Carter.
»Ein wenig erkältet. Nichts Ernstes, Boß«, antwortete Dickinson, als würde er tapfer leiden. Wenn es sich vermeiden ließ, wollte er nicht auf Dexter schießen.
Verhindern konnte er den Tod des Freundes nicht - es wäre verrückt gewesen, sich für Dexter einzusetzen, denn dann hätte ihn Carter gleich mit abservieren lassen -, aber er wollte nicht der Mann am Drücker sein.
Wenn er durchblicken ließ, daß er gesundheitlich nicht ganz auf der Höhe war, beauftragte Norman Carter vielleicht einen anderen Mann mit dem Mord.
»Erhöhte Temperatur«, fügte Jesse Dickinson hinzu. »Vielleicht ’ne Sommergrippe.« Er schwieg und hoffte, nicht zu dick aufgetragen zu haben.
»Heißt das, du kannst dich nicht um D.C. kümmern?«
Dickinson schwitzte, als habe er wirklich Fieber. Wenn der Boß ihn mißverstand, konnte das ins Auge gehen. »Das habe ich nicht gesagt!« erwiderte er schnell.
»Ich möchte, daß du D.C. erledigst«, sagte Norman Carter hart. »Niemand kommt näher an ihn heran, ohne daß er Verdacht schöpft. In einer Stunde ist er über den Jordan, klar?«
Dickinson hustete mitleidheischend. »Wie ich schon sagte: Du bist der Boß!«
Er legte auf und fuhr sich mit der Hand über die Augen. Verdammter Mist, er mußte es tun. Wenn er dem Boß diesen ›Gefallen‹ nicht tat, sah er sich in Kürze mit Dexter Conrad die Radieschen von unten an.
Er holte seinen stumpfnasigen Colt aus dem Wäscheschrank, klappte die Trommel heraus und sah nach, ob alle Kammern geladen waren.
Seufzend schob er die Waffe in den Hosenbund. D.C., du bist ein Idiot! dachte er und verließ seine Wohnung am Trafalgar Square.
20 Minuten später stieg er vor Dexter Conrads Reihenhaus aus dem Wagen. Er läutete an Dexters Tür, und der Freund öffnete. Dickinson war schrecklich nervös. Er hoffte, daß es seinem Opfer nicht auffiel.
»Hallo, Jesse, ich trinke gerade Tee. Möchtest du auch eine Tasse?«
Dickinson wäre gern davongerannt, aber das war nicht möglich. »Gute Idee«, sagte er heiser.
Im hellen Wohnzimmer standen eine Tasse und eine Kanne auf dem weiß gedeckten runden Tisch. Dexter Conrad stellte eine zweite Tasse dazu.
»Vor fünf Minuten habe ich mit dem Boß gesprochen«, eröffnete D.C. dem Freund.
Dickinson zuckte kaum merklich zusammen. »Ach ja?« Er hätte am liebsten den Revolver herausgerissen und geschossen, um es hinter sich zu haben, aber er durfte es nicht überstürzen, denn noch ein Fehler hätte verhängnisvolle Folgen gehabt.
»Wir haben Frieden geschlossen«, behauptete Conrad und goß Tee in Dickinsons Tasse. Sie setzten sich.
»Ist ja großartig«, sagte Jesse
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