188 - Der Rattenkönig
Dickinson.
»Ich zahle zurück, was ich mir unter den Nagel gerissen habe, und alles ist vergeben und vergessen.«
Du armer Narr, dachte Dickinson. Der Boß hat dich eingelullt, damit du nicht Verdacht schöpfst, wenn ich zu dir komme.
Der Revolver drückte ihm unangenehm hart in die Magengrube und erinnerte ihn an seinen verdammten Auftrag. Er nahm einen Schluck vom Tee.
Sein Blick wanderte durch den Raum. Auf dem Sofa lag ein weißes Zierkissen - der Schalldämpfer. Bevor er auf den Freund schoß, würde er sich das Kissen holen und vor die Waffe halten, damit die Nachbarn nichts hörten.
Das Gespräch mit D.C. war eine Qual für ihn. Er konnte sich kaum auf das konzentrieren, was Conrad sagte. Bring es hinter dich, drängte ihn eine innere Stimme. Steh auf, hol das Kissen und schieß!
Es würde nicht leicht sein, dem Freund dabei in die Augen zu sehen.
Dickinson trank den Tee sehr schnell und erhob sich.
»Der Boß hat demnächst einen größeren Auftrag für mich«, erzählte D.C. und zündete sich eine Zigarette an. »Ein Beweis dafür, daß zwischen uns alles wieder im Lot ist.«
»Ja«, gab Dickinson heiser zurück, »das denkst du. Der Boß will, daß du das glaubst, und du fällst darauf herein.« Er nahm das Kissen an sich, hielt es vor seinen Bauch und zog den Colt, ohne daß es der Freund bemerkte. »Du Volltrottel!« schimpfte Dickinson. »Habe ich dir nicht immer gesagt, Finger weg von allem, was dem Boß gehört! Aber nein, du mußtest dich unbedingt an seinem Zaster und an seiner Mieze vergreifen, und nun bin ich hier - weil der Boß es mir aufgetragen hat. Begreifst du endlich? Norman Carter läßt sich nichts wegnehmen. Wer nach seinem Eigentum greift, dem haut er so kräftig auf die Finger, daß er’s nicht überlebt!«
Dexter Conrad wurde blaß. Er erhob sich langsam, seine Lider flatterten.
»Carter hat dich belogen, um dich in Sicherheit zu wiegen«, erkärte Dickinson. »Und nun soll ich einen verdammten Mord begehen, um zu beweisen, daß Norman Carter mehr für mich zählt als du.«
Conrad schluckte. »Dieser verfluchte Bastard!«
»Du hast dir das selbst zuzuschreiben, Mann.«
»Du wirst mich nicht erschießen«, sagte Dexter Conrad mit belegter Stimme.
»Ich muß.«
»Du kannst es nicht. Ich könnte auch nicht auf dich schießen. Wir sind Freunde, Jesse.«
»Jetzt nicht mehr. Ich kann es mir nicht leisten, einen Idioten zum Freund zu haben. D.C., ich hatte gehofft, es würde nie soweit kommen, aber nun ist der Augenblick da. Ich muß mich entscheiden. Entweder du oder ich.«
»Laß mich abhauen, Jesse«, bat Conrad.
»Und was erzähle ich dem Boß?«
»Daß ich nicht zu Hause war.«
»Er hat vorhin mit dir telefoniert.«
»Anschließend kann ich das Haus verlassen haben«, sagte D.C. »Laß mich gehen, Jesse. Ich tauche unter. Norman Carter hört nie wieder von mir. Das ist doch genauso, als wäre ich tot.«
»Nicht für Carter. Er will, daß du bestraft wirst. Außerdem läßt er mich vielleicht überwachen. Ich möchte nicht für dich ins Gras beißen, so weit geht unsere Freundschaft nicht.«
Während sie redeten, hatte sich Dexter Conrad an Jesse Dickinson herangepirscht. Jetzt trat er ihm blitzschnell gegen die Kniescheibe.
Dickinson schrie auf und vergaß abzudrücken. Der Schmerz machte ihn konfus. D.C. schlug zu. Es ging um sein Leben, er mußte alles auf eine Karte setzen. Vorhin hatte er behauptet, er könnte Jesse Dickinson nie töten. Aber das stimmte nicht. Wenn die Situation umgekehrt gewesen wäre, hätte er schon längst abgedrückt. Eine Chance wie diese hätte er dem Freund nie gelassen.
Dickinson war von Conrads Angriff so überrascht, daß er trotz des Revolvers in Bedrängnis geriet. Er verlor das Kissen und mußte einen Faustschlag voll nehmen. Benommen fiel er gegen die Wand. Conrad setzte sogleich nach. Er stürzte sich auf die Waffe und versuchte sie dem anderen zu entwinden.
Der erbitterte Kampf dauerte nur kurze Zeit, dann löste sich ein Schuß zwischen den Männern, und als Jesse Dickinson schwer keuchend zurücktrat, fiel Dexter Conrad um.
Er konnte den Auftrag als ausgeführt betrachten.
Aufgewühlt wankte er durch das Wohnzimmer. Noch nie hatte ihm ein Mord so zugesetzt. Das lag daran, daß er die anderen Opfer nicht gekannt hatte. Er hatte keine Beziehung zu diesen Leuten gehabt. Doch diesmal hatte er das Gefühl, ein Stück von seinem Leben erschossen zu haben.
Er würde damit fertig werden, und Norman Carter würde mit ihm
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