1886 - Nach der Apokalypse
- noch nicht.
Im Augenblick galt sein Interesse verständlicherweise mehr seiner Zukunft. Plötzlich wußte er, daß wieder eine solche vor ihm lag. Direkten Fragen wich er aus, aber er gab sich insoweit leutselig, als er preisgab, kein Hindernis darin zu sehen, sich auf der Erde eine neue Existenz aufzubauen und für die Terraner zum Botschafter seines Volkes zu werden. Seine Vergangenheit spiele dabei keine Rolle mehr, ab jetzt gälten nur noch die Gegenwart und die Zukunft.
Beinahe war er schon geneigt, seinen Umhang wieder anzulegen, doch er zögerte noch, „für einen bestimmten Augenblick", wie er sich äußerte.
*
„Es besteht kein Grund zur Euphorie", warnte Bré später, als sie allein waren. „Genhered ist psychisch ziemlich gestört, auch wenn das zunächst nicht den Anschein haben mag. Wir müssen ihn weiterhin mit Samthandschuhen anfassen. Ich muß weiter mit ihm arbeiten und ihn dazu bringen, sich auch seinen unangenehmen Erinnerungen zu stellen und sie zu verarbeiten. Erst dann können wir die ganze Wahrheit erfahren. Das tut mir leid für dich, aber du wirst dich noch gedulden müssen." Sie lächelte. „Allerdings bin ich, froh, endlich einen Silberstreif am Horizont zu sehen."
„Es ist in jedem Fall positiv, daß er anfängt, über die Zukunft nachzudenken, und sich nicht mehr nur als Märtyrer ansieht", meinte Atlan. „Der Anfang ist getan."
„Aber es gibt natürlich noch einen Grund, weshalb er uns so eifrig bei der Inbetriebnahme unterstützen will."
„Wie meinst du das?"
„Er bezeichnete das Museum im übertragenen Sinne als Rettungsanker für sein Leben. Dieser Anker ist das MesoNeuron."
Atlan stutzte. „Du meinst, zum Tauchen?"
Bré nickte, jedoch etwas verwundert. „Es ist zwar nur ein Meso-Neuron, rein auf das Museum beschränkt, aber er hätte wieder einen Halt."
„Daran sollte er sich lieber nicht klammern."
Bré musterte den Arkoniden und runzelte die Stirn. „Was stimmt damit nicht?"
„Mich erstaunt, daß Genhered das nicht weiß", sagte Atlan. „Während du dich heute mit ihm beschäftigt hast, habe ich ihn ohne sein Wissen durchleuchtet."
„Das habe ich vor deiner Ankunft auch getan, und er ist kerngesund."
„Ich habe aufgrund unseres jetzigen Informationsstands nach etwas anderem gesucht, Bré. Jeder Nonggo bekommt spätestens nach der Geburt den syntronischbionischen SchnittstellenChip, kurz SBS, implantiert, um mit dem ersten Mikro-Neuron vernetzt zu werden und das Tauchen zu lernen."
„Ja, besonders ängstliche Eltern lassen das schon pränatal vornehmen. Und?
Atlan sah sie fast mitleidig an. „Genhered hat keinen Chip."
Bré brauchte eine Weile, um diese schlimme Nachricht zu verdauen. „Das ist nicht dein Ernst", sagte sie schließlich.
„Er wurde ihm offensichtlich operativ entfernt, bevor sie ihn ausgesetzt haben. Sie haben wirklich ganze Arbeit geleistet."
„Heiliger Zestrin! Das ... das macht meine ganze Arbeit zunichte."
Atlan versuchte ein tröstendes Lächeln. „Mit meinem sensiblen Taktgefühl hätte ich Genhered damit natürlich konfrontieren können, aber das überlasse ich diesmal dir."
„Das habe ich nun davon." Bré atmete schwer. „Ich kann ihm das nicht sagen", fuhr sie fort. „Zumindest jetzt nicht. Wenn überhaupt. Nach Inbetriebnahme des Museums kommt er von selbst dahinter, wenn’ er nicht tauchen kann. Es gibt keine Möglichkeit, ihm das behutsam beizubringen. Und ich scheue davor zurück, ihm jetzt sofort wieder alle Hoffnungen zu nehmen. Das könnte ihn umbringen. In jedem Fall würde er einen zweiten Schock erleiden, diesmal vielleicht unheilbar. So hart das auch klingen mag, wir müssen unseren Vorteil nutzen, denn wir brauchen die Daten. Ich kann so und so nichts für ihn tun."
Der Arkonide stimmte ihr darin zu. „Das Ausmaß seiner Bestrafung nimmt immer größeren Umfang an.
Warum haben sie ihm das angetan? Und weshalb weiß er nichts davon?"
„Für die fehlende Erinnerung kann es zwei Gründe geben", entgegnete die Psychologin. „Zum einen kennt Genhered zwar die Bedeutung, aber natürlich. nicht die technische Abwicklung des Sündenträger-Prinzips. So etwas wird selbstverständlich unter Verschluß gehalten. Er weiß also nicht von vornherein, was mit ihm passiert. Möglicherweise erfährt er den operativen Eingriff nie, wenn er betäubt wird und erst nach dem Aussetzen wieder erwacht. Ansonsten wird das Wissen um die Entfernung durch den Schock über den Ausschluß vom Neuron so
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