189 - Die Regenbogenschlange
Wildheit und die Gewalt seines Angriffs überraschten ihn. Er hatte mit einem harten Kampf gerechnet. Immerhin waren beide Männer erfahren. Ihre Körper waren trainiert und ihre Bewegungen geschmeidig. Aber sie hatten ihm nichts entgegenzusetzen.
Chris schnellte seitlich an einem der Männer vorbei und entging so einem Hieb auf sein Kinn. Mit einer muränengleichen Bewegung packte er den Mann und warf ihn über seine Hüfte. Den zweiten trat er vor das Knie, noch ehe dieser ihn erreicht hatte. Danach zwang er ihn mit einem einfachen Hebel zu Boden, schleifte ihn eine Runde über den Platz, als wolle er mit einem Hund spazieren gehen.
Es waren nicht seine Techniken, die ihn überraschten. Es war die Schnelligkeit, mit der er sich beider Gegner entledigte, die im Staub vor ihm auf dem Boden lagen, während er ungebeugt vor ihnen stand. Dazu kam die Grausamkeit, mit der er sich über sie lustig machte. Er brauchte kein Wort zu sagen.
In den Augen des kleineren Mannes stand Hass, als Chris endlich von ihm abließ. Der Anangu versuchte aufzustehen, sank wieder zurück und rieb sich den Arm.
»Schnappt ihn euch!«, schrie er in kaum verständlichem Englisch.
Bewegung kam in die Reihen der Zuschauer. Der Ring rückte näher zusammen. Chris sah Frauen mit Keulen in den Händen, die sich ihm rasch näherten. Er drehte sich im Kreis, fuhr dann vor und streckte den ersten Mann zu Boden. Ein zweiter packte ihn von hinten, aber Chris wand sich aus seinem Griff, als habe er keine Knochen im Leib. Er warf einen Gegner gegen einen zweiten, stieß einer Keulen schwingenden Frau vor die Brust, ehe sie den Schlag beenden konnte. Zwei Männer rissen ihn zu Boden, aber es gelang ihm, sie beide zur Seite zu drängen und sich zwischen ihnen hervor zu winden. Er merkte gar nicht, dass er aus einer Wunde an der Stirn blutete.
Noch immer sah er sich selbst wie aus weiter Ferne zu. Der Kampf ging ihn irgendwie nichts an. Einem Mann trat er heftig in die Seite, einem anderen bog er den Kopf zurück und brachte ihn so zu Fall.
»Auseinander!« Die herrische Stimme eines Mannes fügte Sätze im hier vorherrschenden Anangu-Dialekt hinzu.
Allmählich löste sich der Pulk um Chris auf. Noch immer stand er ungebeugt, seine Brust hob und senkte sich heftig. Er spürte den Wunsch zuzubeißen. Joey hatte Recht, dachte er verwirrt, während er langsam in sich selbst zurückkehrte und plötzlich die Schmerzen in seinem Körper fühlte. Ich brauche einen Seelendoktor, und zwar einen verdammt guten.
Ein alter Mann mit einem schön geschnitzten Stock trat auf ihn zu. Seine Haare und sein voller Bart waren weiß. Er erschien Chris doppelt so alt wie der Mann mit den feinen Falten im Gesicht. Eine breite Nase erhob sich vor kleinen Knopfaugen. Der Alte war traditionell gekleidet. Ein roter Lendenschurz verdeckte sein Geschlecht, ein ebenso rotes Band war um seine Stirn gebunden. Die nackte Haut war mit weißer Farbe bemalt und zeigte kunstvolle Muster und Linien.
Chris vermutete, dass er zu den Ältesten gehörte, die den Stamm führten.
»Krieger mit dem Schlangenmal«, sagte der Alte sehr langsam. »Du bringst Unglück in unsere Mitte. Warum greifst du uns an?«
Chris erwiderte den Blick des weißhaarigen Mannes. »Ich wollte euch nicht angreifen, aber eure Krieger gaben sich nicht geschlagen. Ich will mit Trugani sprechen. Weiter nichts. Man hat mir zugesichert, dass man Trugani über mich informiert, wenn ich den Kampf gewinne, und ich bestehe auf meinem Recht.«
Der alte Mann nickte zögernd.
Eine weiße Frau trat aus der empört murmelnden Menge.
Chris fragte sich, warum sie sich so aufregten. Er hätte ehrenhafter sein können, aber immerhin hatten sie sich alle über ihn lustig gemacht.
»Chris.« Das Lächeln ihrer Lippen erreichte die Augen nicht, die in einem zerfurchten Gesicht lagen. »Komm mit.«
Parker blickte den weißhaarigen Mann fragend an, und dieser nickte erneut. Die Anangu machten ihnen Platz. Chris folgte Trugani zu ihrer Hütte, die sie gemeinsam mit ihrem Anangu-Mann teilte. Im Moment war niemand zu sehen, worüber Chris sehr dankbar war. Er hörte, wie die Menge sich auflöste und die wütend geflüsterten Worte leiser wurden.
Trugani wies in den winzigen Innenraum. Es war angenehm schattig in der Hütte aus Rinde und Zweigen. Werkzeuge aus Holz und zwei Körbe aus geflochtenem Gras lagen sorgfältig aufgereiht an einer der Wände. Zwei einfache Lagerstätten aus Gras und Fell waren auf dem Boden ausgebreitet.
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