189 - Die Regenbogenschlange
normale Maß hinaus. Auch die Kinder.
Immerhin hatten sie die Barbarin nicht als Hauptgang eingeplant, sondern tatsächlich als Gast. Ein Mann kam schließlich auf sie zu, und sie erkannte den Spanner von vorhin. »Du… hast Hillulu gerettet«, sagte er langsam und schwerfällig, als hätte er den Satz auswendig gelernt.
Aruula nickte langsam, und er erklärte ihr, dass er der Vater der Kleinen wäre, die sie zurückgebracht hatte.
Sie wollte zurückweichen, als er seine Hand ihrem Gesicht näherte, aber Relleli sagte: »Nicht.«
Also ließ sie ihn gewähren; mit weißer Farbe zeichnete er auf beide Wangen und die Stirn ein Symbol. Dann zog er sich ohne ein weiteres Wort zurück. Aruula war versucht, sich das Gesicht abzuwischen, aufzuspringen und noch einmal eine ausgiebige Dusche zu nehmen. »Was hat er gemacht?« Sie deutete auf ihr Gesicht. Die Farbe trocknete langsam und juckte auf der Haut. Sie wollte lieber nicht wissen, woraus sie bestand.
»Schutzgeist«, antwortete Relleli. »Du bist auf dem Traumpfad gewandelt und wurdest hierher geschickt.«
»Aber nein, nein.« Aruula schüttelte den Kopf. »Ihr habt nicht auf euer Kind aufgepasst, und ich kam nur zufällig vorbei.«
»Unsinn«, sagte das kahlköpfig werdende Mädchen.
»Hillulu kann sehen, Sie hat nur vergessen, dass sie noch ein Kind ist.« Sie deutete auf Aruulas eigene Körperbemalung.
»Du trägst die Zeichen, was fragst du?«
»Die… haben nichts mit euch zu tun«, wehrte die Barbarin ab. »Ich komme von sehr weit her, wo die Symbole andere Bedeutung haben.«
»Alles ist eins«, murmelte das Mädchen. »Du wirst bald wissen.«
Aruula wollte eigentlich aufbrechen, aber da wurde ein bauchiges Trinkgefäss herumgereicht, aus dem alle tranken, auch die Kinder. Selbst den Kleinsten wurden einige Tropfen davon in den Mund geträufelt.
Als die Reihe an sie kam, wollte sie dankend ablehnen, erkannte aber rechtzeitig, dass dies niemand akzeptieren würde. Vor allem Hillulus Vater und Durangi, der Schamane, nötigten sie durch Gesten dazu, ebenfalls zu trinken. Dann versuchte Aruula, sich durch Nippen herauszuwinden, aber Hillulus Vater hielt das Gefäß an ihren Mund und zwang sie, zweimal zu schlucken, erst dann gab er sie frei.
Das milchige Gebräu rann Aruulas Kehle hinunter.
Überrascht stellte sie fest, dass es sich wohltuend in ihrem vollen, mit der Verdauung beschäftigten Magen ausbreitete.
»Ich danke euch allen sehr«, sagte sie. »Aber ich werde nun aufbrechen.«
»Zuerst der Tanz«, lehnte Durangi ab. »Sieh zu. Dies ist ein Festtag, ein Grund zur Fröhlichkeit und Ausgelassenheit. Du sollst daran teilhaben, als unser besonderer Ehrengast.«
Aruula fragte sich, zu welchen Possen diese seltsamen Menschen sich wohl hinreißen lassen würden, um
»Fröhlichkeit und Ausgelassenheit« zu demonstrieren.
Und da begann es auch schon. Einige Krieger hatten Musikinstrumente gebracht, Flöten und ein langes hohles Rohr, nahmen Aufstellung und begannen eine quäkende, zugleich dröhnende, seltsame Un-Melodie, die dennoch einem Rhythmus folgte.
Aruula merkte, wie sie schläfrig wurde. Das war kein Wunder; sie war geduscht und sauber, der Magen gefüllt, und im Augenblick schien keine Gefahr zu drohen. Ihr Körper wollte sich endlich erholen, vor allem neue Kräfte schöpfen.
Bereits viel zu träge, ließ Aruula es geschehen und beobachtete, wie die Krieger einen Tanz begannen. Sie standen in der Mitte des Kreises, der sich um sie gebildet hatte, während außerhalb das Feuer langsam nieder brannte.
Die Krieger, alle nackt bis auf einen Lendenschurz, waren am ganzen Körper mit weißen und ockerfarbenen Symbolen bemalt, die Gesichter mit Stammesnarben bedeckt. Sie formierten sich in drei Reihen und bewegten zuerst nur die Beine, vor und zurück, seitwärts, dann aufstampfend. Sie folgten dem Rhythmus der »Musik« mit unbewegten Gesichtern. Die untergehende Sonne warf ihre Strahlen zwischen Felsen und Bäumen hindurch und verwischte die Konturen der Tänzer.
Während die Musik sich steigerte, wurden sie allmählich schneller, und Aruula sah an ihren glasigen Augen, dass sie in Trance hinüber glitten. Aus dem Tanz wurden mehr und mehr akrobatische Übungen. Die Anangu schienen völlige Kontrolle über ihre Körper zu haben, selbst über die Knochen, denn sie führten Verrenkungen durch, die eigentlich nicht möglich waren.
Die übrigen Dörfler klatschten im Takt mit, während die Krieger immer wilder und ekstatischer wurden. Auch
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