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19 Minuten

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Titel: 19 Minuten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jodi Picoult
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»Keiner da?«
    Seine Eltern saßen in der dunklen Küche. Seine Mutter blickte benommen auf. Sie hatte geweint.
    Peter spürte etwas Warmes in seiner Brust aufsteigen. Er hatte Josie gesagt, seine Eltern würden seine Abwesenheit gar nicht bemerken, aber das stimmte ja gar nicht. Sie sahen beide völlig fertig aus. »Mir geht's gut«, beruhigte Peter sie. »Ehrlich.«
    Sein Vater stand auf, blinzelte Tränen weg und zog Peter in seine Arme. Peter konnte sich nicht erinnern, wann er das letzte
    Mal so umarmt worden war. Und obwohl er versuchte, cool zu bleiben, schließlich war er schon sechzehn, drückte er sich an seinen Vater und hielt ihn fest. Zuerst Josie, und dann das? Dieser Tag war der schönste Tag seines Lebens.
    »Dein Bruder«, schluchzte sein Vater. »Joey ist tot.«

Alle Jungs und Mädchen wollen beliebt sein, aber keiner von uns würde das zugeben. Wenn wir es zugeben würden, wären wir schon weniger cool. Um richtig beliebt zu sein, muss es so aussehen, als wärst du es ganz einfach, doch die Wahrheit ist, du machst dich beliebt.
    Einen anstrengenderen Job gibt es wahrscheinlich gar nicht. Ich meine, selbst Fluglotsen und der Präsident machen mal Ferien, aber wir an der Highschool arbeiten das ganze Schuljahr hindurch rund um die Uhr daran, beliebt zu sein.
    Und wie kommst du in die erlauchten Kreise? Tja, das ist ja gerade der Haken: Es liegt nicht an dir. Entscheidend ist, was die anderen davon halten, wie du dich kleidest, was du zum Lunch isst, welche Sendungen du guckst, was für Musik du auf deinem iPod hast.
    Aber eine Frage hat mich schon immer beschäftigt: Wenn nur die Meinung der anderen zählt, kannst du dann überhaupt noch eine eigene haben?

Ein Monat danach
    Der Ermittlungsbericht von Patrick Ducharme war zwar schon zehn Tage nach dem Amoklauf auf Dianas Schreibtisch gelandet, doch bis heute hatte sie keine Zeit gefunden, ihn durchzusehen. Erst jetzt nahm sie ihn zur Hand, sichtete die Fingerabdruckanalysen, die ballistischen Ergebnisse, die Blutspuruntersuchungen und las die ersten Polizeiberichte.
    Schon den ganzen Morgen hatte sie sich mit dem Ablauf des Schulmassakers befasst und erwogen, sich bei ihrem Eröffnungsplädoyer an der Spur der Gewalt zu orientieren, die Peter Houghton hinterlassen hatte. Der erste Schuss auf den Stufen vor der Schule hatte Zoe Patterson getroffen. Der nächste Alyssa Carr, dann Angela Phlug, Maddie Shaw. Courtney Ignatio. Haley Weaver und Brady Pryce. Lucia Ritolli, Grace Murtaugh. Drew Girard. Matt Royston. Und so weiter.
    Diana nahm ihre Brille ab und rieb sich die Augen. Ein Buch der Toten, eine Landkarte der Verwundeten. Und das waren nur die, die mit schwereren Verletzungen stationär behandelt werden mussten. Zahllose Kinder waren in der Notaufnahme verarztet worden und konnten wieder nach Hause, Hunderte hatten Narben, die zu tief lagen, als das man sie hätte sehen können.
    Diana hatte keine Kinder. In ihrem Beruf waren die Männer, die sie kennenlernte, entweder Straftäter, was schlimm war, oder Verteidiger, was noch schlimmer war. Aber sie hatte einen dreijährigen Neffen, der im Kindergarten aufgefallen war, weil er mit dem Finger auf ein anderes Kind gezeigt und gesagt hatte: »Peng, du bist tot.« Als ihre Schwester ihr aufgebracht von dem Vorfall erzählte, hatte sie da gedacht, ihr Neffe würde zum Psychopathen heranwachsen? Nein, nicht für eine Sekunde. Er war doch bloß ein Kind, das ein bisschen herumalberte.
    Hatten die Houghtons das auch gedacht?
    Diana betrachtete die Namensliste vor sich. Es war nun an ihr, einen Zusammenhang herzustellen, und vor allem den weit zurückliegenden Wendepunkt zu markieren, an dem Peter Houghtons Gedanken unmerklich von einem Was Wäre Wenn zum Wann gewandert waren.
    Ihr Blick fiel auf eine andere Liste, die vom Krankenhaus. Cormier, Josie. Den ärztlichen Unterlagen nach hatte man das siebzehnjährige Mädchen mit einer Platzwunde an der Stirn eingeliefert, nachdem es ohnmächtig aufgefunden worden war. Die Unterschrift der Mutter stand auf einem Einwilligungsformular für Bluttests - Alex Cormier.
    Das konnte doch nicht ...
    Diana lehnte sich in ihrem Sessel zurück. Einer Richterin zu empfehlen, einen Fall wegen Befangenheit abzulehnen, war heikel. Da konnte sie ja gleich ihre Unparteilichkeit infrage stellen, was Dianas Karriere sicherlich nicht förderlich wäre, schließlich würde sie in Zukunft noch oft mit Alex Cormier zu tun haben. Aber Richterin Cormier war doch wohl klar, dass sie

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