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Titel: 19 Minuten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jodi Picoult
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nachdachte, wie ihr Leben verlaufen wäre, wenn sie nicht Mutter geworden wäre, dann merkte sie, dass ihr ein bitteres Wort auf der Zunge lag: leichter.
    Heute machte Lacy die Runde in der Praxis. Sie hatte schon fünf Patientinnen besucht und war auf dem Weg zur sechsten. Janet Isinghoff, las sie mit einem Blick auf die Akte. Sie war zwar die Patientin einer Kollegin, aber da man nie wissen konnte, welche gerade Dienst hatte, wenn es so weit war, sollte jede werdende Mutter alle Hebammen der Einrichtung kennenlernen.
    Janet Isinghoff stand vor der Tür des Untersuchungsraumes, während sie hitzig mit Kinderschwester Priscilla debattierte.
    »Ist mir egal«, sagte Janet. »Wenn nötig, geh ich eben in ein anderes Krankenhaus.«
    »Aber so arbeiten wir hier nicht«, erklärte Priscilla.
    Lacy lächelte. »Was ist denn los?«
    Priscilla drehte sich um und trat zwischen Lacy und die Patientin. »Gar nichts.«
    »Das hörte sich aber eben nicht so an«, erwiderte Lacy.
    »Ich will nicht, dass mein Baby von einer Frau geholt wird, deren Sohn ein Mörder ist«, platzte Janet heraus.
    Lacy stand wie angenagelt da und rang um Luft.
    Priscilla lief dunkelrot an. »Mrs. Isinghoff, ich spreche im Namen unseres gesamten Teams, wenn ich Ihnen sage, dass Lacy-«
    »Ist schon gut«, stammelte Lacy. »Ich versteh das.«
    Inzwischen starrten die anderen Schwestern und Hebammen herüber. Lacy wusste, dass sie ihr alle den Rücken stärken würden, aber im Grunde spielte das keine Rolle. Selbst wenn Janet Isinghoff ging, morgen oder übermorgen würde eine andere Frau dieselben Bedenken äußern. Wer würde schon wollen, dass die ersten Hände, die ein Neugeborenes berührten, dieselben Hände waren, die die eines Mörders gehalten hatten, um ihn sicher über die Straße zu bringen; die ihm die Haare aus der Stirn gestrichen hatten, wenn er krank war?
    Lacy eilte den Flur hinunter ins Treppenhaus und rannte vier Stockwerke hoch. Manchmal, nach besonders anstrengenden Tagen, suchte Lacy oben auf dem Dach des Krankenhauses Zuflucht. Dann legte sie sich auf den Rücken, starrte in den Himmel und stellte sich vor, sie wäre irgendwo anders auf der Erde.
    Am liebsten hätte Lacy allen gesagt, dass Peters Tat für sie ebenso unerklärlich - ebenso grauenhaft - war wie für alle anderen. Auch sie hatte ihren Sohn an diesem Tag verloren. Nicht bloß an das Gefängnis, sondern persönlich, denn der Junge, den sie gekannt hatte, war verschwunden, war von dieser Bestie verschlungen worden, die sie nicht wiedererkannte und die zu unvorstellbaren Dingen fähig war.
    Aber was, wenn Janet Isinghoff recht hatte? Was, wenn irgendetwas, das Lacy gesagt oder getan - oder nicht gesagt oder getan hatte -, Peter erst so weit getrieben hatte? Konnte man seinen
    Sohn für das, was er getan hatte, hassen und ihn noch immer als den lieben, der er einmal gewesen war?
    Die Tür ging auf und Lacy fuhr herum. Sonst kam nie einer herauf aber vielleicht wollte Priscilla nach ihr sehen. Es war nicht Priscilla. Jordan McAfee stand mit einem Packen Unterlagen in der offenen Tür. Lacy schloss die Augen. »Großartig.«
    »Das sagt meine Frau auch immer zu mir«, lächelte er und kam auf sie zu. »Ist vielleicht aber auch nur mein Wunschdenken... Ihre Sekretärin meinte, ich würde Sie wahrscheinlich hier oben finden, und - Lacy, alles in Ordnung mit Ihnen?«
    Lacy nickte und schüttelte dann den Kopf. »Harter Tag?«, fragte Jordan.
    »Könnte man so sagen«, antwortete Lacy. Sie versuchte, ihre Tränen vor Jordan zu verbergen. Sie wollte auf keinen Fall, dass er glaubte, sie schonen zu müssen. Sie wollte jede brutale Wahrheit über Peter hören, sie wollte alles hören, wirklich alles.
    »Ich brauche ein paar Unterschriften von Ihnen ... aber ich kann auch später wiederkommen ...«
    »Nein«, sagte Lacy. »Es geht schon.« Es tat ihr gut, mit jemandem zusammenzusein, der an Peter glaubte, auch wenn sie ihn dafür bezahlte. »Darf ich Sie was fragen?«
    »Klar.«
    »Warum fällt es den Leuten so leicht, mit dem Finger auf andere zu zeigen?«
    Jordan setzte sich auf den erhöhten Rand des Daches. »Die Menschen brauchen einen Sündenbock«, sagte er. »Das liegt in unserer Natur. Und das ist auch die größte Hürde, die wir als Verteidiger überwinden müssen, denn jemand, der verhaftet wurde, gilt bei den meisten bereits als schuldig.« Er sah ihr in die Augen. »Es muss schwer für Sie sein, die Artikel zu lesen, in denen Peter schon verurteilt wird, noch ehe der

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