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19 Minuten

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Titel: 19 Minuten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jodi Picoult
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über eine Zugbrücke, die sich langsam öffnete.
    Josie wusste, dass er es schaffen würde. Das war schließlich eine simple Actionkomödie. Und dennoch sah Josie etwas völlig anderes: Die Motorhaube, die auf der anderen Seite gegen die geöffnete Brücke krachte. Verbogenes Metall, das durch die Luft wirbelte, aufs Wasser klatschte, unterging.
    Erwachsene sagten immer, Jugendliche würden zu schnell fahren oder sich zudröhnen oder keine Kondome benutzen, weil sie sich für unbesiegbar hielten. Aber die Wahrheit war, du konntest jeden Augenblick sterben. Brady könnte auf dem Footballplatz einen Schlaganfall erleiden. Emma könnte vom Blitz getroffen werden. Drew könnte an einem ungewöhnlichen Tag in eine ganz gewöhnliche Highschool gehen.
    Josie stand auf. »Ich brauch frische Luft«, murmelte sie und hastete durch die Haustür nach draußen. Sie setzte sich auf die Veranda und blickte zum Himmel, zu den Sternen. Als Teenager war man nicht unbesiegbar. Man war dumm.
    Hinter ihr ging die Tür auf und schloss sich mit einem Seufzer wieder. »He«, sagte Drew und nahm neben ihr Platz. »Alles in Ordnung?«
    »Ja, alles in Ordnung.« Josie setzte ein Lächeln auf. Sie war inzwischen so gut darin, anderen etwas vorzumachen, dass es ihr zur zweiten Natur geworden war. Wer hätte gedacht, dass sie doch etwas von ihrer Mutter geerbt hatte?
    Drew rupfte einen Grashalm vom Rasen neben der Veranda. »Das sag ich auch immer, wenn mich dieser bescheuerte Psycho-onkel in der Schule zu sich bestellt.«
    »Ich wusste nicht, dass du auch zu ihm musst.«
    »Ich glaub, der bestellt alle zu sich, die, na ja, eben dabei waren.«
    »Meinst du, es gibt welche, die ihm was wirklich Wichtiges erzählen?«, fragte Josie.
    »Kann ich mir nicht vorstellen. Der hat den Tag nicht miterlebt. Also kann er es auch nicht verstehen.«
    »Wer kann das schon?«
    »Du. Ich. Die beiden im Haus«, sagte Drew. »Willkommen in dem Klub, dem keiner beitreten will. Eure Mitgliedschaft ist lebenslänglich.«
    Josie wollte es gar nicht, aber Drews Worte und der blöde Kerl in dem Film, der mit seinem Auto über die Brücke springen wollte, und die Sterne, die wie Nadelstiche auf ihrer Haut waren, das alles trieb ihr plötzlich Tränen in die Augen, und sie fing an zu weinen. Drew legte seinen unverletzten Arm um sie, und sie schmiegte sich an ihn. Sie schloss die Augen und drückte das Gesicht in sein Flanellhemd. Es fühlte sich so vertraut an, als läge sie nach einer jahrelangen Weltreise zum ersten Mal wieder in ihrem eigenen Bett. Und doch - der Stoff des Hemdes roch nicht so wie früher. Der Junge, der sie im Arm hielt, hatte nicht die richtige Größe, die richtige Form. War nicht derselbe Junge.
    »Ich glaub, ich pack das nicht«, flüsterte Josie.
    Sofort löste sich Drew von ihr. Er war rot im Gesicht und wich Josies Blick aus. »So hab ich das nicht gemeint. Du und Matt...« Seine Stimme wurde tonlos. »Ich weiß, dass du noch immer zu ihm gehörst.«
    Josie sah zum Himmel hoch. Sie nickte, als hätte sie genau das damit gemeint.
    Als Peter noch kleiner war, hatte Lacy ihn einmal in dasselbe Ferienlager geschickt, von dem Joey so begeistert gewesen war. Es lag in Vermont am Lake Fairlee, wo die Kinder Wasserski fahren und segeln lernen konnten und nächtliche Kanutouren unternahmen. Am ersten Abend hatte Peter angerufen und gebettelt, sie sollten ihn wieder nach Hause holen. Lacy hatte sich schon ins Auto setzen wollen, doch Lewis hatte es ihr ausgeredet. Wenn er sich da nicht durchbeißt, wie soll er dann je herausfinden, oh er das schafft?
    Als Lacy Peter nach zwei Wochen wiedersah, hatte er sich verändert. Er war größer und kräftiger geworden. Aber da war auch etwas Fremdes in seinen Augen - als wäre ein Licht darin erloschen. Als Peter sie ansah, wirkte er argwöhnisch, als hätte er begriffen, dass sie nicht mehr seine Verbündete war.
    Jetzt sah er sie genauso an, während sie ihm zulächelte und so tat, als würden die Neonlampen über seinem Kopf kein grelles Licht werfen. Als könnte sie den Arm ausstrecken und ihn berühren und müsste ihn nicht über den roten Strich hinweg anstarren, der auf den Boden des Besucherraums gepinselt worden war. »Weißt du, was ich gestern auf dem Speicher gefunden hab? Den Dinosaurier, den du so mochtest, der immer gebrüllt hat, wenn man ihn am Schwanz zog. Ich hab immer gedacht, den würdest du eines Tages sogar zu deiner Hochzeit mitnehmen ...« Lacy verstummte, weil ihr der Gedanke kam, dass

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