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Titel: 19 Minuten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jodi Picoult
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es für Peter wohl nie eine Hochzeit geben würde. »Na ja«, sagte sie und lächelte noch ein bisschen strahlender, »ich hab ihn jedenfalls auf dein Bett gesetzt.«
    Peter starrte sie an. »Okay.«
    »Ich glaub, deine schönste Geburtstagsparty war die Dino-party, als wir im Sandkasten Plastikknochen vergraben haben und du wie ein Archäologe danach suchen musstest«, sagte Lacy. »Weißt du noch?«
    »Ich weiß noch, dass kein Schwein gekommen ist.«
    »Das stimmt nicht.«
    »Okay, vielleicht fünf Kinder, aber nur, weil ihre Moms das wollten«, sagte Peter. »Herrgott. Da war ich sechs. Wieso reden wir überhaupt darüber?«
    Weil mir sonst nichts einfällt, dachte Lacy. Sie sah sich im Besucherraum um. Es waren nur eine Handvoll Insassen da und die wenigen Unbeirrbaren, die noch an sie glaubten, getrennt durch den roten Strich. In Wahrheit, so wurde Lacy klar, gab es diese rote Trennlinie zwischen ihr und Peter schon seit Jahren. »Peter«, platzte Lacy heraus, »es tut mir leid, dass ich dich damals nicht aus dem Sommerlager abgeholt hab.«
    Er sah sie an, als wäre sie verrückt geworden. »Ahm, danke, aber ich bin drüber weg, schon seit ungefähr hundert Jahren.«
    »Ich weiß. Aber es tut mir trotzdem leid.« Auf einmal taten ihr tausend Dinge leid: Dass sie nicht besser aufgepasst hatte, wenn Peter ihr irgendeinen neuen Programmiertrick zeigte; dass sie ihm nach Dozers Tod keinen neuen Hund gekauft hatte; dass sie in den letzten Winterferien nicht noch mal in die Karibik gefahren waren, weil Lacy leichfertig angenommen hatte, sie hätten dafür noch jede Menge Zeit.
    »Es ändert doch nichts, wenn einem was leidtut.«
    »Für die Person, die sich entschuldigt, schon.«
    Peter stöhnte. »Was soll die Scheiße?«
    Lacy zuckte zusammen. »Du musst nicht so ordinär werden, wenn du -«
    »Scheiße«, wiederholte Peter. »Scheiße, Scheiße, Scheiße.«
    »Wenn du so weitermachst, geh ich.«
    »Nein, du gehst nicht«, sagte Peter. »Weißt du warum? Weil das bloß wieder etwas wäre, was dir dann leidtäte.«
    Lacy war schon halb aufgestanden, aber die Wahrheit in Peters Worten drückte sie zurück auf den Stuhl. Offenbar kannte er sie weit besser, als sie ihn je gekannt hatte.
    »Ma«, sagte er leise, und seine Stimme schwebte über den roten Strich hinweg. »Das hab ich nicht so gemeint.«
    Sie sah ihn an, die Kehle wie zugeschnürt. »Ich weiß, Peter.«
    »Ich bin froh, dass du kommst.« Er schluckte. »Ich mein, du bist die Einzige.«
    »Dein Vater -«
    Peter schnaubte. »Ich weiß ja nicht, was er dir so erzählt, aber er war ein einziges Mal hier und dann nie wieder.«
    Lewis besuchte Peter nicht? Lacy war perplex. Wo war er denn, wenn er sagte, er wäre bei Peter gewesen?
    Sie stellte sich vor, wie Peter jede zweite Woche in seiner Zelle saß und auf Besuch wartete, der nicht kam. Lacy zwang sich zu einem Lächeln - sie würde sich später aufregen, nicht in Peters Beisein - und wechselte das Thema. »Für die Anklageverlesung hab ich dir ein schönes Jackett mitgebracht.«
    »Jordan meint, ich brauch keins. Ich kann einfach die Sachen hier anbehalten. Erst beim eigentlichen Prozess brauch ich dann was Ordentliches.« Peter lächelte schwach. »Ich hoffe, du hast die Preisschildchen noch nicht rausgeschnitten.«
    »Ich hab's nicht gekauft. Das ist das Jackett, das Joey bei seinen Vorstellungsgesprächen anziehen wollte.«
    Ihre Blicke trafen sich. »Ach so«, murmelte Peter. »Deshalb warst du auch auf dem Speicher.«
    Sie schwiegen, während sich beide daran erinnerten, wie Joey
    in einem Designerjackett, das er in Boston ergattert hatte, die Treppe heruntergekommen war. Er wollte es bei seinen Bewerbungen an verschiedenen Colleges anziehen. Doch dann geschah der tödliche Unfall.
    »Wünschst du dir manchmal, ich wäre gestorben«, fragte Peter, »und nicht Joey?«
    Lacys Herz wurde schwer wie ein Stein. »Natürlich nicht.«
    »Aber dann hättet ihr Joey noch«, sagte Peter. »Und das alles hier wäre nicht passiert.«
    Erwachsenwerden bedeutete auch, nicht mehr ganz so ehrlich zu sein und zu lernen, wann eine Lüge angebracht war, weil die Wahrheit nur verletzen würde. Das war auch der Grund, warum Lacy mit einem Lächeln herkam, das auf ihrem Gesicht klebte wie eine Halloween-Maske, wo sie doch in Wahrheit am liebsten laut aufgeschluchzt hätte. Deshalb sprach sie über Ferienlager und Stofftiere, anstatt sich einzugestehen, wer er geworden war. Aber Peter hatte nie gelernt, das eine zu sagen,

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