19 Minuten
zum Präsidium ging.
Alex hörte die Autotür zuknallen, nachdem Josie eingestiegen war, doch sie schaute Patrick Ducharme nach, bis er durch die Tür verschwand. Ich wünschte, ich wäre es gewesen, dachte Alex und brachte den Satz ganz bewusst nicht zu Ende.
Derek Markowitz war ein kleines Computergenie genau wie Peter. Und genau wie Peter war er weder mit viel Muskeln noch mit einer stattlichen Körpergröße gesegnet. Sein Haar stand kreuz und quer ab, er trug sein Hemd immer nur in der Hose, und er hatte nie zu den coolen Kids gehört. Aber anders als Peter war er nicht eines Tages bewaffnet in die Schule gegangen und hatte zehn Menschen getötet.
Selena saß am Küchentisch der Familie Markowitz, während Dereks Mutter Dee Dee sie mit Argusaugen beobachtete. Selena befragte Derek in der Hoffnung, dass er als Zeuge für die Verteidigung infrage kam, aber wenn sie ehrlich war, gab er nach dem, was er ihr bislang erzählt hatte, einen besseren Kandidaten für die Anklagevertretung ab.
»War das alles meine Schuld?«, fragte Derek jetzt. »Ich meine, ich bin schließlich der Einzige, mit dem er geredet hat. Wenn ich genauer hingehört hätte, vielleicht hätte ich ihn dann davon abbringen können. Oder ich hätte mich an jemanden wenden können. Aber ich hab gedacht, er blödelt bloß rum.«
»Ich glaube nicht, dass irgendjemand in deiner Lage anders gehandelt hätte«, sagte Selena beruhigend. »Der Peter, den du kanntest, war nicht der Peter, der an jenem Tag bewaffnet in die Schule ging.«
»Ja«, sagte Derek und nickte nachdenklich.
»Sind Sie jetzt fertig?«, fragte Dee Dee und trat vor. »Derek hat gleich Geigenunterricht.«
»Fast, Mrs. Markowitz. Ich wollte Derek nur noch ein paar Fragen zu dem Peter stellen, den er gekannt hat. Wie habt ihr beide euch kennengelernt?«
»In der sechsten Klasse waren wir zusammen in der Fußballmannschaft«, sagte Derek, »und wir waren beide sauschlecht.«
»Derek!«
»Tschuldigung, Mom, aber es stimmt.« Er sah zu Selena hoch. »Aber dafür hatte von diesen Sportskanonen keiner auch nur einen blassen Schimmer von HTML-Code.«
Selena lächelte. »Ihr zwei habt euch also angefreundet?«
»Wir haben immer zusammen auf der Bank gesessen, weil wir nie eingesetzt wurden«, sagte Derek. »Aber richtig angefreundet haben wir uns erst, nachdem er nichts mehr mit Josie zu tun hatte.« »Josie?«
»Ja, Josie Cormier. Sie geht auch auf die Sterling High.«
»Und sie ist mit Peter befreundet?«
»War. Früher war sie so ziemlich die Einzige, die zu ihm gehalten hat«, erklärte Derek, »aber dann hat sie sich mit den angesagten Leuten zusammengetan und wollte nichts mehr mit ihm zu tun haben.« Er sah Selena an. »Hat Peter aber nicht viel ausgemacht. Er meinte, sie wär ein richtiges Arschloch geworden.«
»Derek!«
»Tschuldigung, Mom«, sagte er. »Aber es stimmt.«
»Würden Sie mich kurz entschuldigen?«, fragte Selena.
Sie ging aus der Küche ins Bad, wo sie ihr Handy aus der Tasche zog und zu Hause anrief. »Ich bin's«, sagte sie, als Jordan sich meldete, und dann stockte sie. »Wieso ist es bei dir so leise?«
»Sam schläft.«
»Du hast ihn doch nicht schon wieder vor ein Video gesetzt, bloß damit du deine Akten studieren kannst, oder?«
»Zweifelst du etwa an meiner väterlichen Fürsorge?«
»Nein«, sagte Selena. »Ich rufe an, um dir zu sagen, dass Peter und Josie mal richtig gute Freunde waren.«
Im Hochsicherheitstrakt durfte Peter nur einmal die Woche Besuch haben, aber manche Leute zählten nicht als Besuch. Sein Anwalt beispielsweise konnte so oft kommen, wie er wollte. Das Gleiche galt verrückterweise auch für Journalisten. Peter musste nur eine kurze Erklärung unterschreiben, durch die er einwilligte, mit den Medien zu sprechen, und schon durfte Elena Bat-tista zu ihm.
Sie hatte Klasse. Das sah Peter auf den ersten Blick. Sie trug eine enge Bluse mit Knöpfen. Wenn er sich ein wenig vorbeugte, konnte er tief in ihr Dekollete sehen. Sie hatte langes, volles, welliges Haar und rehbraune Augen, und Peter konnte sich kaum vorstellen, dass sie in der Highschool je gepiesackt worden war.
»Ich kann es immer noch nicht glauben«, sagte sie und schob ihre Füße genau bis an die rote Linie zwischen ihnen. »Ich kann immer noch nicht glauben, dass ich dich wirklich kennenlerne.«
Peter gab sich abgeklärt. »Tja«, sagte er. »Ich find's super, dass du extra den weiten Weg gekommen bist.«
»Ach, das ist doch das Mindeste«, sagte Elena.
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