19 Minuten
Teufel hat dich denn da geritten?«
Peter klappte der Unterkiefer herunter. »Sie... sie hat nichts davon gesagt, dass sie für Time schreibt!« Er überflog die Seite.
» Das glaub ich einfach nicht«, murmelte er.
Jordan spürte, wie ihm das Blut in den Kopf schoss. Auf die Art bekamen Leute einen Schlaganfall. »Hast du überhaupt eine Ahnung, wie gravierend die Anklage gegen dich ist? Wie schwierig dein Fall ist? Wie erdrückend die Beweisführung?« Kr schlug mit der flachen Hand auf den Artikel. »Bildest du dir etwa ein, das hier lässt dich irgendwie sympathisch erscheinen?«
Peter sah ihn finster an. »Danke für den Vortrag. Wenn Sie vor ein paar Wochen öfter hier gewesen wären, um mich so umfassend aufzuklären, müssten wir die Diskussion vielleicht jetzt nicht führen.«
»Ach, du Armer«, sagte Jordan. »Ich komm nicht oft genug her, also beschließt du, hinter meinem Rücken mit der Presse zu plaudern?«
»Sie war nicht die Presse. Sie war eine Freundin.«
»Weißt du was?«, sagte Jordan. »Du hast keine Freunde!«
»Haben Sie sonst noch was Neues auf Lager?«, konterte P?ter.
Jordan musste an Selenas Gespräch mit Derek Markowitz denken. Es stimmte, Peter hatte keine Freunde. Seine Schulkameraden ließen ihn im Stich oder verrieten ihn oder brachten seine Geheimnisse in der ganzen Schule in Umlauf.
Wenn er seinen Job richtig machen wollte, konnte er für Peter nicht bloß ein Anwalt sein. Er musste sein Vertrauter werden.
Jordan setzte sich neben Peter. »Hör mal«, sagte er ruhiger. »Mach so was nie wieder. Wenn irgendwer Kontakt zu dir aufnimmt, ganz gleich aus welchem Grund, musst du mir Bescheid geben. Und dafür komme ich dich in Zukunft öfter besuchen, versprochen.«
Peter signalisierte sein Einverständnis mit einem Achselzucken. Jordan sah ihn nachdenklich an.
»Und was nun?«, fragte Peter. »Soll ich wieder über Joey reden? Oder sollen wir das Psychiatergespräch vorbereiten?«
Jordan zögerte. Eigentlich war er nur hergekommen, um Peter die Leviten zu lesen, ansonsten hätte er sich heute überhaupt nicht im Gefängnis blicken lassen. Peter jetzt noch mal nach seiner Kindheit zu fragen, kam ihm irgendwie unpassend vor. »Ehrlich gesagt, ich könnte mal deinen Rat gebrauchen«, begann er. »Meine Frau hat mir zu Weihnachten so ein Computerspiel geschenkt, und so sehr ich mich auch anstrenge, ich komm einfach nicht über die Anfängerebene hinaus ...«
»Das wird Ihnen nicht gefallen«, sagte Eleanor und reichte Alex ein Schriftstück. »Das ist ein Antrag, dass Sie den Vorsitz im Houghton-Prozess abgeben sollen. Die Anklagevertretung bittet um eine Anhörung.«
Eine Anhörung bedeutete, dass die Presse dabei wäre, die Opfer dabei wären, die Angehörigen dabei wären. Eine An-
hörung bedeutete, dass Alex in aller Öffentlichkeit auf dem Prüfst and käme, ehe der Prozess weitergeführt werden könnte. »Tja, sie wird keine bekommen«, sagte Alex knapp.
Die Sekretärin zögerte. »Das würde ich mir gut überlegen.«
Alex sah ihr in die Augen. »Sie können jetzt gehen.«
Sie wartete, bis Eleanor den Raum verlassen hatte, dann schloss sie die Augen. Sie wusste nicht, was sie machen sollte. Es stimmte, die Anklageverlesung hatte sie stärker aufgewühlt, als sie erwartet hatte. Es stimmte auch, dass die Distanz zwischen ihr und |osie an den Parametern ihrer Rolle als Richterin gemessen werden konnte. Doch weil Alex unerschütterlich geglaubt hatte, unfehlbar zu sein - weil sie so verdammt sicher gewesen war, in diesem Fall gerecht urteilen zu können -, saß sie jetzt in einer Zwickmühle. Es war eine Sache, den Vorsitz in einem Prozess abzulehnen, ehe er begonnen hatte. Doch wenn sie jetzt zurücktrat, stand sie bestenfalls als unzuverlässig da, schlimmstenfalls als unfähig. Keines der beiden Adjektive würde ihrer juristischen Karriere guttun.
Wenn sie Diana Leven die Anhörung verweigerte, würde es so aussehen, als versteckte Alex sich. Da war es besser, sie verhielt sich wie eine gestandene Frau und gab der Anklagevertretung Gelegenheit, ihren Standpunkt darzulegen. Sie drückte einen Knopf an ihrem Telefon. »Eleanor«, sagte sie, »setzen Sie die Anhörung an.«
Sie fuhr sich mit den Fingern durchs Haar und strich es dann wieder glatt. Sie brauchte eine Zigarette. In ihren Schreibtischschubladen fand sie nur noch eine leere Packung. »Mist«, fluchte sie, und dann fiel ihr die Packung ein, die sie für Notfälle im Kofferraum ihres Wagens versteckt
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