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Titel: 19 Minuten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jodi Picoult
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Gutachten machen.«
    »Glauben Sie mir, Jordan, das würde ich furchtbar gern, aber ich bin wirklich die nächsten sechs Monate ausgebucht.«
    »Das hier ist was anderes. Die Anklage lautet auf mehrfachen Mord.«
    »Mehrfachen Mord?«, echote Wah. »Wie viele Ehemänner hat sie denn umgebracht?«
    »Keinen, und es ist keine sie. Es ist ein junger Mann. Eher noch ein Junge. Er wurde jahrelang in der Schule schikaniert, und dann hat er eines schönen Tages wild um sich geballert. Sterling High-school.«
    King Wah reichte ihm die Hälfte seines Thunfischsandwiches. »Okay, kleiner Bruder, besprechen wir die Sache beim Lunch.«
    Josies Blick wanderte vom grauen Fliesenboden zu den Betonmauern, von den Eisengittern zwischen Dienstraum und Wartebereich zu der schweren Tür mit dem automatischen Sicher-heitsschloss. Es war ein bisschen wie ein Gefängnis, und sie fragte sich, ob die Polizisten, die hier arbeiteten, das nicht absurd fanden. Aber dann musste sie an Peter denken und Panik überkam sie. »Ich will hier weg«, sagte sie und sah ihre Mutter an.
    »Ich weiß.«
    »Wieso muss er denn noch mal mit mir reden? Ich hab ihm doch schon gesagt, dass ich mich an nichts erinnern kann.«
    Die Vorladung war ihnen per Post zugestellt worden; Detec-tive Ducharme hatte noch ein paar Fragen an sie. Für Josie hieß das, dass er jetzt etwas wusste, das er bei ihrer ersten Vernehmung noch nicht gewusst hatte. Wie ihre Mutter ihr erklärt hatte, bedeutete eine zweite Vernehmung aber nichts weiter, als dass die Staatsanwaltschaft auf Nummer sicher gehen wollte, dass sie aber trotzdem im Präsidium erscheinen musste. Gott bewahre, dass ausgerechnet Josie die Ermittlung behinderte.
    »Du musst ihm bloß noch einmal sagen, dass du dich an nichts erinnern kannst ... mehr nicht«, sagte ihre Mutter und legte ihr eine Hand aufs Knie.
    Aber was, wenn das eine Falle war?
    Was, wenn Detective Ducharme schon ... alles wusste?
    »Josie«, sagte eine Stimme. »Danke, dass du hergekommen bist.«
    Als sie aufblickte, stand der Polizist vor ihnen. Ihre Mutter erhob sich. Josie wollte auch aufstehen, ehrlich, sie wollte, aber sie hatte einfach nicht den Mut dazu.
    »Euer Ehren, ich danke Ihnen, dass Sie Ihre Tochter hergebracht haben.«
    »Josie ist sehr aufgewühlt«, sagte ihre Mutter. »Sie kann sich noch immer nicht an den Tag erinnern.«
    »Das muss ich von Josie selbst hören.« Der Detective ging vor ihr in die Hocke, sodass er ihr in die Augen sehen konnte. Er hatte nette Augen, fand Josie. Ein bisschen traurig allerdings. Und sie fragte sich, wie es wohl war, sich die Geschichten von all den Verletzten und Verstörten anzuhören, ob man sie unwillkürlich in sich aufnahm. »Es wird nicht lange dauern«, sagte er freundlich. »Versprochen.«
    Was war schmerzlicher, überlegte Josie: dich an nichts zu erinnern, ganz gleich, wie sehr du es versuchtest, oder alles genau vor dir zu sehen, bis auf den letzten schrecklichen Augenblick.
    Aus den Augenwinkeln sah Josie, wie ihre Mutter wieder Platz nahm. »Kommst du nicht mit rein?«
    Beim letzten Mal, als der Detective sie vernommen hatte, hatte ihre Mutter dieselbe lahme Ausrede gehabt - sie war die Richte-rin, sie konnte unmöglich bei einer polizeilichen Vernehmung dabei sein. Doch dann hatten sie nach der Anklageverlesung miteinander geredet, und ihre Mutter hatte beteuert, auch wenn sie in diesem Prozess die Richterin war, sie würde sich weiterhin wie eine Mutter verhalten. Josie hatte naiverweise geglaubt, dass sich zwischen ihnen etwas ändern würde.
    Ihre Mutter klappte den Mund auf und zu wie ein Fisch auf dem Trockenen. Ist dir das jetzt unangenehm? , dachte Josie beißend. Willkommen im Klub.
    »Möchtest du einen Kaffee?«, fragte der Detective und schüttelte dann den Kopf. »Oder eine Cola?«
    »Ich nehme einen Kaffee«, sagte Josie, ohne sich noch einmal nach ihrer Mutter umzusehen.
    Detective Ducharme führte sie in ein Besprechungszimmer, dort schenkte er ihr eine Tasse Kaffee ein. »Milch? Zucker?«
    »Zucker«, sagte Josie. Sie schaute sich um, sah den Resopal-tisch, die Neonlampen, die Alltäglichkeit des Raumes.
    »Was ist?«
    »Was soll sein?«, erwiderte Josie.
    »Was denkst du?«
    »Dass das Zimmer nicht so aussieht, als würden hier Geständnisse aus Leuten rausgeprügelt.«
    »Das machen wir nur, wenn es irgendwas rauszuprügeln gibt«, sagte der Detective. Als Josie blass wurde, lachte er. »War ein Witz.«
    Er beugte sich vor und griff nach dem Kassettenrecorder, der

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