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Titel: 19 Minuten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jodi Picoult
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biologische Begründung für einige irrationale Verhaltensweisen liefern, die Eltern normalerweise dem überhöhten Hormonspiegel bei Pubertierenden zuschreiben. Den gibt es natürlich, aber es gibt auch ein Defizit an kognitiven Kontrollmechanismen, die für ein erwachsenes Verhalten unerlässlich sind.«
    Jordan wandte sich den Geschworenen zu. »Haben Sie das verstanden? Ich komme da nämlich ehrlich gesagt nicht ganz mit...«
    King schmunzelte. »Laienhaft ausgedrückt? Wenn man sich das Gehirn eines jungen Menschen ansieht, kann man einiges über ihn lernen. Es könnte tatsächlich eine physiologische Ursache dafür geben, dass Ihr Siebzehnjähriger, wenn Sie ihm sagen, er soll die Milch zurück in den Kühlschrank stellen, nur nickt und die Milch lässt, wo sie ist.«
    »Haben Sie Peter von Dr. Ghertz untersuchen lassen, weil Sie dachten, er wäre bipolar oder schizophren?«
    »Nein. Aber es gehört auch zu meinen Aufgaben, diese Ursachen auszuschließen, ehe ich nach anderen Gründen für sein Verhalten suche.«
    »Hat Dr. Ghertz Ihnen die Ergebnisse seiner Untersuchung mitgeteilt?«
    »Ja.«
    »Würden Sie uns diese Ergebnisse bitte erläutern?« Jordan nahm die bereits als Beweismittel zugelassene MRT-Aufnahme eines Gehirns und reichte sie King.
    »Dr. Ghertz hat festgestellt, dass Peters Gehirn dem typischen Gehirn eines Heranwachsenden entspricht, und zwar insofern, als sein präfrontaler Kortex noch nicht so entwickelt ist wie bei einem reifen Erwachsenengehirn.«
    »Moment«, sagte Jordan. »Ich komme schon wieder nicht mehr mit.«
    »Der präfrontale Kortex befindet sich genau hier, hinter der Stirn. Er ist so was wie der Präsident des Gehirns und für überlegtes, rationales Denken zuständig. Er ist außerdem der Teil des Gehirns, der zuletzt ausreift, was auch der Grund dafür ist, warum Teenager sich oft mit irgendwelchem Blödsinn Arger einhandeln.« Er zeigte auf einen kleinen Fleck in der Mitte der Aufnahme. »Das ist die Amygdala. Da das Entscheidungsfin-dungszentrum bei Teenagern noch nicht voll funktionsfähig ist, greifen sie auf diesen kleinen Teil des Gehirns zurück. Dabei handelt es sich um das impulsive Epizentrum, in dem instinktive Gefühle wie Angst und Wut untergebracht sind. Mit anderen Worten, das ist der Teil des Gehirns, aus dem der berühmte Spruch >Meine Kumpel fanden die Idee aber auch supergut< stammt.«
    Mehrere Geschworene lachten leise auf, und Jordan suchte Peters Blick. Der Junge hing nicht mehr träge auf seinem Stuhl, sondern saß aufrecht da und lauschte interessiert. »Es ist wirklich faszinierend«, sagte King, »dass ein Zwanzigjähriger physiologisch in der Lage sein kann, eine durchdachte Entscheidung zu treffen, ein Siebzehnjähriger dagegen nicht.«
    »Hat Dr. Ghertz noch andere Tests durchgeführt?«
    »Ja. Er hat eine zweite MRT-Aufnahme gemacht, während Peter eine einfache Aufgabe lösen sollte. Man legte ihm Fotos von Gesichtern vor und bat ihn, die Emotionen zu beschreiben, die sich in ihnen widerspiegelten. Im Gegensatz zu einer Testgruppe von Erwachsenen, deren Einschätzungen überwiegend korrekt waren, machte Peter häufig Fehler. Vor allem schrieb er ängstlichen Gesichtern Gefühle wie Zorn, Verwirrung oder
    Traurigkeit zu. Während er sich auf diese Aufgabe konzentrierte, arbeitete seine Amygdala, wie die MRT-Aufnahme zeigte, und nicht der präfrontale Kortex.«
    »Was folgern Sie daraus, Dr. Wah?«
    »Dass Peters Fähigkeit zu rationalem, planvollem, vorsätzlichem Handeln noch in der Entwicklung steckt. Physiologisch betrachtet, ist er einfach noch nicht dazu in der Lage.«
    Jordan beobachtete die Reaktionen der Geschworenen auf diese Aussage. »Dr. Wah, Sie sagten, Sie haben mit Peter gesprochen. Wo fanden diese Gespräche statt?«
    »In einem Besprechungsraum des Gefängnisses. Ich habe ihm erklärt, wer ich bin und dass sein Anwalt mich engagiert hat«, sagte King.
    »Hatte Peter etwas dagegen, mit Ihnen zu reden?«
    »Nein.« Der Psychiater zögerte. »Er schien recht froh über die Gesellschaft.«
    »Was ist Ihnen zunächst an ihm aufgefallen?«
    »Er wirkte emotionslos. Keine Tränen, kein Lächeln, keine Feindseligkeit. Wir Psychiater nennen das flacher Affekt.«
    »Worüber haben Sie beide geredet?«
    King schaute zu Peter hinüber und lächelte. »Uber Baseball, speziell die Boston Red Sox«, sagte er. »Und über seine Familie.«
    »Was hat er Ihnen erzählt?«
    »Dass er bei seinen Eltern wohnt und sein älterer Bruder vor einem Jahr

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