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Titel: 19 Minuten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jodi Picoult
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bei einem Autounfall ums Leben gekommen ist. Joey war ein Jahr älter als Peter. Wir haben auch darüber gesprochen, was er gern in seiner Freizeit macht, nämlich hauptsächlich am Computer sitzen - und über seine Kindheit.«
    »Wie hat er seine Kindheit dargestellt?«
    »Peters Kindheitserinnerungen konzentrieren sich überwiegend auf Situationen, in denen er entweder von anderen Kindern viktimisiert wurde oder von Erwachsenen, die ihm hätten helfen können, wie er glaubte, es aber nicht taten. Er schilderte verbale Drohungen - Geh mir aus dem Weg oder ich polier dir die Fresse -, körperliche Gewalt - wenn er beispielsweise über den Flur ging und unversehens gegen die Wand gestoßen wurde,
    sowie Spott und Häme - wenn er als Homo oder Schwuchtel bezeichnet wurde.«
    »Hat er gesagt, wann das Ganze angefangen hat?«
    »Am ersten Tag der Vorschule, als einer von den älteren Jungs im Schulbus Peters Superman-Lunchdose aus dem Fenster warf. Und es ging bis kurz vor der Tat, als er öffentlich gedemütigt wurde, nachdem bekannt gemacht worden war, dass er sich für eine Klassenkameradin interessierte.«
    »Dr. Wah«, sagte Jordan, »hat Peter denn nie um Hilfe gebeten?«
    »Doch, aber selbst wenn er Hilfe bekam, ging der Schuss meist nach hinten los. So bekam zum Beispiel einmal ein Lehrer mit, wie ein Junge Peter herumschubste und Peter sich daraufhin wehrte. Der Lehrer ließ beide Jungen zur Strafe nachsitzen. In Peters Augen war das ungerecht, weil er sich doch bloß gewehrt hatte und trotzdem bestraft wurde.« King hielt einen Moment inne. »Jüngere Erinnerungen waren durch den Tod seines Bruder geprägt sowie durch seine Unfähigkeit, als Schüler und als Sohn in die Fußstapfen seines Bruders zu treten.«
    »Hat Peter über seine Eltern gesprochen?«
    »Ja. Peter liebte seine Eltern, aber er hatte nicht das Gefühl, sich auf ihren Schutz verlassen zu können.«
    »Schutz wovor?«
    »Probleme in der Schule, Gefühle, die ihn bedrängten, Selbstmordphantasien.«
    Jordan drehte sich zu den Geschworenen um. »Ist es Ihnen möglich, Peters psychische Verfassung am sechsten März 2007 auf Grundlage Ihrer Gespräche mit Peter und der Untersuchungsergebnisse von Dr. Ghertz mit angemessener medizinischer Gewissheit zu diagnostizieren?«
    »Ja. Peter litt an einer posttraumatischen Belastungsstörung.«
    »Bitte erklären Sie uns, was das ist.«
    King nickte. »Dabei handelt es sich um eine psychische Störung, die nach einem Erlebnis auftritt, durch das eine Person gequält oder viktimisiert wurde. Es ist bekannt, dass viele Soldaten, die aus einem Krieg nach Hause kommen, Probleme haben,
    sich wieder einzuleben. Der Grund dafür ist eine posttraumatische Belastungsstörung, kurz PTBS. Menschen, die daran leiden, erleben die traumatisierende Erfahrung oft in Albträumen wieder, haben Schlafstörungen, fühlen sich entfremdet. In Extremfällen kann es sogar zu Halluzinationen und Dissoziation kommen.«
    »Heißt das, am Morgen des sechsten März hatte Peter Halluzinationen?«
    »Nein. Aber ich glaube, er befand sich in einem dissoziativen Zustand.«
    »Was ist das?«
    »Das ist ein Zustand, in dem man körperlich präsent, aber geistig losgelöst ist«, erklärte King. »Wenn man die Gefühle, die man angesichts eines Ereignisses empfindet, von dem Wissen über das Ereignis abspaltet.«
    Jordan zog die Augenbrauen zusammen. »Einen Moment, Dr. Wah. Kann ein Mensch in einem dissoziativen Zustand Auto fahren?«
    »Absolut.«
    »Eine Rohrbombe legen?«
    »Ja.«
    »Schusswaffen laden und abfeuern?«
    »Ja.«
    »Und sich dennoch nicht darüber bewusst sein, was er da eigentlich tut?«
    »Ja, Mr. McAfee«, sagte King. »Genau so ist es.«
    »Wann setzte Ihrer Meinung nach bei Peter die Dissoziation ein?«
    »Während unserer Gespräche erzählte Peter, er sei am Morgen des sechsten März früh aufgestanden und habe auf einer Webseite nachsehen wollen, ob Leute sein Videospiel kommentiert hatten. Durch Zufall öffnete er eine alte Datei auf seinem Computer -die E-Mail, mit der er Josie Cormier seine Gefühle mitgeteilt hatte. Dieselbe E-Mail, die einige Wochen zuvor an die gesamte Schülerschaft verschickt worden war und die eine noch größere Demütigung nach sich gezogen hatte, als ihm nämlich in der
    Cafeteria die Hose heruntergerissen wurde. Er sagte, er kann sich nicht mehr genau erinnern, was geschah, nachdem er diese E-Mail gesehen hatte.«
    »Ich öffne auch schon mal aus Versehen alte Dateien«, sagte Jordan,

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