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Titel: 19 Minuten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jodi Picoult
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Josie ihre Mutter irgendwann gefragt, warum sie und ihr Vater nicht mehr verheiratet waren, und musste zu ihrer Verblüffung erfahren, dass sie es nie waren. »Er war nicht der Typ dafür«, hatte ihre Mutter erwidert, und Josie hatte nicht verstanden, warum er dann auch nicht der Typ war, der seiner Tochter zum Geburtstag ein Geschenk schickte, sie in den Ferien mal zu sich holte oder auch nur anrief, um ihre Stimme zu hören.
    Dieses Jahr hatte Josie Biologie als Leistungskurs, und sie freute sich besonders auf das Thema Genetik. Josie wusste nicht, ob ihr Vater braune oder blaue Augen hatte, lockiges Haar oder Sommersprossen. Ihre Mutter hatte Josies Interesse daran heruntergespielt. »Bei dir in der Schule sind ganz bestimmt Kinder, die adoptiert wurden«, sagte sie. »Du weißt fünfzig Prozent mehr über deine Herkunft als sie!«
    Folgendes hatte Josie inzwischen über ihren Vater in Erfahrung gebracht: Sein Name war Logan Rourke. Er war Dozent an der Uni gewesen, an der ihre Mutter studiert hatte. Sein Haar war früh ergraut, aber - so hatte ihre Mutter ihr versichert - es sah cool aus, nicht alt. Er war fünfzehn Jahre älter als ihre Mutter, also war er vierundfünfzig. Er hatte lange Finger und spielte Klavier. Er konnte nicht pfeifen.
    Nicht unbedingt genügend Stoff für eine Biografie, aber besser als gar nichts.
    Josie saß im Biounterricht vor ihrem Laptop und recherchierte im Internet für ein Kursprojekt über humane Tierforschung. Bislang hatte sie eine Asthmamedikamenten-Studie an Primaten und eine Studie gefunden, bei der es um den Plötzlichen Säuglingstod und Hundewelpen ging.
    Aus Versehen klickte sie auf einen Link zur Webseite des Boston Globe. Und auf dem Bildschirm erschien ein Artikel: die Wahlschlacht zwischen dem amtierenden Bezirksstaatsanwalt und seinem Herausforderer, dem Dekan für Studentenangelegenheiten in Harvard, einem Mann namens Logan Rourke.
    Josie war wie elektrisiert. Es gab doch wohl nicht mehr als einen, oder? Sie kniff die Augen zusammen und beugte sich näher zum Bildschirm, aber das Foto war grobkörnig und überbelichtet. »Was hast du?«, flüsterte Courtney, die neben ihr saß.
    Josie schüttelte den Kopf und klappte den Deckel ihres Laptops zu, damit auch er dieses Geheimnis bewahrte.
    Er benutzte nie ein Urinal auf der Jungentoilette, aus Angst, irgendein Riese aus der Oberstufe könnte eine blöde Bemerkung über den mickrigen Neuntklässler machen. Stattdessen ging er auch zum Pinkeln in eine Kabine und schloss ab.
    Er las gern die Sprüche an den Wänden, sie waren teils witzig, teils ziemlich versaut. In einer Kabine prangte in großen Lettern: TREY WILKINS IST NE SCHWUCHTEL. Peter kannte Trey Wilkins nicht, fragte sich aber, ob er zum Pinkeln auch lieber in eine Kabine ging.
    Peter war während eines Grammatikquiz in Englisch zum Klo gegangen und hoffte, genügend Zeit bis zum Ende der Stunde rausschinden zu können. Er hatte schon beim letzten Quiz eine schlechte Note kassiert, zweimal hintereinander wäre nicht toll. Nicht, weil er den Unmut seiner Eltern fürchtete, nein, was er fürchtete, waren ihre enttäuschten Blicke, wenn sie ihn wieder mal mit Joey verglichen.
    Er hörte, wie die Toilettentür aufging, Geräusche vom Flur hereinhallten und dann Schritte. Peter bückte sich und lugte unter der Kabinenwand hindurch. Zwei Paar Nikes. »Ich schwitze wie ein Schwein«, sagte eine Stimme.
    Der zweite Schüler lachte. »Weil du ja auch ein fettes Schwein bist.«
    »Musst du grad sagen. Ich würd dich in Basketball sogar noch schlagen, wenn man mir eine Hand auf den Rücken binden würde.«
    Peter hörte, wie ein Wasserhahn aufgedreht wurde, dann das Geräusch spritzenden Wassers.
    »He, ich bin klatschnass!«
    »Ahhh, so ist es besser«, sagte die erste Stimme. »Wenigstens schwitz ich jetzt nicht mehr. He, guck mal meine Haare. Ich seh aus wie Alfalfa.«
    »Wie wer?«
    »In welcher Welt lebst du denn? Der Typ von den Kleinen Strolchen, dem hinten die Haare so hochstehen.«
    »Nee, du siehst voll aus wie ne Schwuchtel...«
    »Hast recht...« Wieder Gelächter. »Ich seh voll aus wie Peter.«
    Als Peter seinen Namen hörte, klopfte ihm das Herz. Aber er öffnete die Kabinentür und trat hinaus. Vor der Reihe mit Waschbecken stand ein Junge aus der Footballmannschaft, den er vom Sehen kannte, neben ihm sein Bruder. Joeys Haar war triefend nass, und eine Strähne stand ihm am Hinterkopf ab, so wie manchmal bei Peter, wenn er das Haargel seiner Mutter

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