1901 - Tödliche Tessma
lange hinter sich hatte. Er war einiger der wenigen Neuron-Autarken, die durchaus ohne den steten Kontakt zum Netz leben und überleben konnten. Kein Wunder, er hatte seinen Chip erst im Alter von drei Jahren erhalten und war deshalb in der Lage, ohne die neuronale Verbindung zu existieren.
Die Stimme in seinen Gedanken blieb. Sie schien sogar lauter geworden zu sein. Ein silberner Schein fiel auf ihn.
Down Kempesch Kort erstarrte, als er den Helioten sah. Die Kugel aus Licht schwebte näher, sie berührte ihn, durchdrang ihn, ohne daß er fähig gewesen wäre, auch nur eine Hand zu seinem Schutz zu heben.
Eine Woge von Frieden durchpulste ihn, ein unbeschreibliches Empfinden, als verschmelze er in diesem Augenblick mit Raum und Zeit.
Du weißt, weshalb ich gekommen bin, Down Kempesch Kort.
Seine Gedanken rasten, sein Atem beschleunigte sich auf sechs oder sieben Atemzüge in der Minute.
Wir leben für den Frieden.
Down Kempesch Kort schloß die Augen. Dennoch blieb das Abbild des Helioten, es hatte sich tief in sein Inneres eingebrannt.
Du bist zum Nachfolger von Zenndicyl Pervorat Zeun bestimmt. Down Kempesch Kort.
Du wirst das Volk der Nonggo vertreten als neuer Vierter Bote von Thoregon.
Aber warum? Weshalb ausgerechnet er? Es gab viele fähige Nonggo.
Nur ein Neuron-Autarker konnte Bote von Thoregon werden. Jeder andere würde die Trennung von der Gemeinschaft nicht überstehen. Nicht auf Dauer jedenfalls. „Ich ... ich weiß nicht, ob ich der richtige ..."
Down Kempesch Kort redete ins Leere. Der Heliote war verschwunden, und nur die anderen Nonggo blickten ihn ehrfürchtig an. Sie verneigten sich. ,„Bitte unterlaßt das!" wollte Down Kempesch Kort ihnen zurufen, doch er brachte vor Erregung keinen Ton heraus.
Um sein Handgelenk lag ein mehrere Finger breites flexibles Armband: das Passantum des Vierten Boten von Thoregon, der Schlüssel für die Brücke in die Unendlichkeit - und für vieles mehr.
9.
Zwei, vielleicht sogar drei Sekunden länger als für gewöhnlich dauerte es, bis der Servo auf die Bestellung reagierte. Die kurze Zeitspanne wäre Mondra Diamond kaum aufgefallen, hätte nicht die Bereitschaftsanzeige zu blinken begonnen. Gleich darauf erlosch die Funktion.
Mondra wiederholte die Bestellung.
Diesmal materialisierte die Trinkschale ordnungsgemäß Sie war halb mit der gewohnten nährstoffreichen Flüssigkeit gefüllt.
Mondra stellte die Schüssel vor Norman ab. Der gerade erst drei Jahre alte indische Elefant dachte allerdings nicht daran, sich wie sonst auf das Wasser zu stürzen.
Unschlüssig ließ er den Rüssel pendeln. „Norman, was ist los mit dir? Der plumpe Kerl ist nicht in der Nähe, keine Angst."
Norman steckte sich den Rüssel ins Maul, machte unruhig einen Schritt zurück. Seine großen dunklen Augen blickten vorwurfsvoll. Oder bildete Mondra sich das nur ein? Wie er sich momentan verhielt, so hatte sie Norman höchst selten gesehen. Einmal, als er in Kalkutta-Nord offensichtlich für eine Elefantendame entflammt war, das andere Mal hatte er sich nach dem Genuß faulender Früchte den Magen verdorben gehabt. .
Norman wich weiter vor der Schüssel zurück. Als Mondra ihn festhalten wollte, stieß er ein klägliches Trompeten aus. '„Ist was mit dem Wasser?" Die Frau stutzte. Ihr war kein Geruch aufgefallen, keine Verfärbung, nichts, abgesehen von der kurzen Verzögerung. Die Technik der KAURRANG galt als einwandfrei. Trotzdem schöpfte sie mit der hohlen Hand und kostete. Das Wasser hatte wie immer einen leicht irdenen Geschmack und die prickelnde Reinheit von Quellwasser. „Der Ertruser hat dich wieder so gierig angeschaut", vermutete Mondra endlich. „Das ist es, oder? Ich werde ihm ein für allemal klarmachen ..."
Die pendelnde Kopfbewegung hörte auf. Norman fächelte jetzt mit den Ohren, er trabte hinüber zum Servo und begann, das Aggregat mit dem Rüssel abzutasten.
Mondra seufzte ergeben. „Du bist durcheinander, Norman. Hier steht dein Wasser. Es gibt keine zweite Portion, solange die Schüssel voll ist." 'Bisher hatte der junge Elefant den meisten Versuchen widerstanden, ihm kleine Kunststücke beizubringen. Er war stubenrein und zerdepperte nichts, aber er mußte auch gehorchen lernen. „Nun trink endlich!" kommandierte Mondra. „Oder ich gehe ohne dich nach vorne." .' Der Rüssel tastete über das Ausgabefach; Norman schien überhaupt nicht wahrgenommen zu haben, daß die Frau mit ihm redete. Erst als das Schott vor ihr aufglitt,
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